Verfuehrung in bester Gesellschaft
Violet ihm und hoffte, dass das der Wahrheit entsprach.
Ein paar weitere Münzen sorgten dafür, dass sie tatsächlich die Zelle aufsuchen durfte, in die sie wollte. Newgate war ein Labyrinth aus dämmerigen Gängen und steilen Treppen und am Abend genügen die wenigen Laternen kaum, den Weg zu beleuchten. Während sie neben dem dicken, bärtigen Wachmann ging, hallten ihre Schritte auf dem unebenen Steinboden wider. Violet erschauerte.
Sie hatte Geschichten darüber gehört, was sich im Gefängnis alles abspielte. Sie hatte von der schlechten Ernährung und von schlimmen Krankheiten gehört, von brutalen Übergriffen und vom Missbrauch weiblicher Gefangener. Ihr kam der Gedanke, dass – sollte der Wachmann ihr Gewalt antun wollen – er sie einfach in eine der Zellen zerren könnte. Violet hätte keine Chance, sich zu wehren.
Bei dem Gedanken wurde ihr übel.
Zum Glück führte der Mann sie nur durch den feuchten dunklen Gang zu Rules Zelle, steckte den schweren eisernen Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür.
„In einer halben Stunde bin ich wieder da“, sagte er.
„Danke.“ Beim Klang von Rules Stimme drehte sie sich um. Er kam auf sie zu.
„Violet! Was zum Teufel tust du hier?“ Sein Gesicht war gezeichnet von Angst und Missbilligung, doch er legte die Arme um sie und zog sie ganz fest an sich.
„Ich bringe Neuigkeiten. Ich habe herausgefunden, wer der Mann mit der Narbe war. Er hieß Michael Dunnigan. Er hat für Benny Bates gearbeitet.“
Rule umfasste ihre Schultern. „Bates hat also damit zu tun. Wie hast du das herausgefunden?“
„Danny hat es mir erzählt. Er sagte, er hätte dich zuvor belogen. Er sagte, du wärest gut zu ihm, und er wollte dir helfen.“
„Was noch?“
„Danny meinte, jemand hätte Bates und seine Männer angeheuert, um den Mord zu begehen. Dunnigans Aufgabe bestand darin, den Schlüssel zu Whitneys Suite zu organisieren. Aber er konnte kein Geheimnis für sich behalten. Danny glaubt, dass derjenige, der Whitney tötete, auch Dunnigan umgebracht hat, um ihn zum Schweigen zu bringen und dir den Mord unterzuschieben.“
Rule wandte sich ab und begann hin und her zu gehen. „Ich muss mit Morgan reden. Er muss Bates finden.“
„Ich habe ihn schon aufgesucht. Als ich zu dir aufbrach, machte er sich gerade auf den Weg, Bates zu suchen.“
Rule drehte sich wieder zu ihr um und zog sie in seine Arme. „Himmel, Violet.“ Sie fühlte, wie er zitterte, spürte seinen starken Körper und den schnellen Schlag seines Herzens.
„Ich weiß, du hättest nicht herkommen sollen“, sagte er. „Ich weiß, es ist viel zu gefährlich für dich, aber ich bin so froh, dich zu sehen.“ Und dann küsste er sie. Es war der zärtlichste, süßeste Kuss, den sie sich vorstellen konnte.
„Wir werden einen Ausweg finden.“ Tränen brannten in ihren Augen. „Morgan wird uns helfen.“
Er nickte und hielt sie wieder fest an sich gedrückt. Sie wollte ihm sagen, dass sie ihn liebte. Sie schwieg, weil er es nicht erwidern und sie damit verletzen würde.
Stattdessen erzählte sie ihm von dem neuen Angebot, das Burton Stanfield ihnen unterbreitet hatte, und wie wütend sie darüber war.
„Der Mann ist so moralisch wie eine Schlange“, sagte Rule.
„Ganz offensichtlich will er die Firma haben. Könnte es sein, dass er hinter der Intrige steckt?“
Rule seufzte. „Ich weiß es nicht.“
„Vielleicht glaubt Stanfield, dass er mich zum Verkaufen überreden kann, wenn Whitney aus dem Weg ist und du im Gefängnis bist.“
„Das ist denkbar. Wo es um so große Gewinne geht, ist alles möglich.“
Das stimmte sicherlich. Es war eine weitere Möglichkeit, die er mit Chase Morgan besprechen sollte.
Violet konnte kaum glauben, wie schnell die Zeit verronnen war, als sie die schweren Schritte des Wachmannes auf dem Gang hörte.
„Es ist Zeit für mich.“ Sie legte sich das Cape über die Schultern und küsste ihn ein letztes Mal. „Ich komme wieder! Und wage ja nicht, mir zu sagen, ich sollte das nicht tun.“
Die Andeutung eines Lächelns umspielte seinen schönen Mund. Als sie zur Tür ging, spürte sie, wie seine Blicke ihr folgten.
„Violet.“
In seiner Stimme lag etwas Besonderes, eine Andeutung von Spannung. Sie blieb stehen und drehte sich herum.
Rule stand ein paar Schritte von ihr entfernt, seine Arme hingen herunter. Seine Miene war ernst. „Ehe du gehst, muss ich dir noch etwas sagen.“
Angst schnürte ihr die Kehle zu. Sie hatte solche Angst, es zu
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