Verfuehrung in bester Gesellschaft
klammerte sich zitternd an ihn. Sie sehnte sich nach ihm. „So etwas solltest du nicht einmal denken! Wir werden eine Lösung finden. Wir werden den wirklichen Mörder finden.“
Rule holte tief Luft. „Royal wird dich nach Hause bringen. Ich möchte nicht, dass du hier bleibst, Violet. Besser noch: Ich möchte, dass du morgen ins Kontor gehst. Versuche, dich zu beschäftigen. Lass Morgan und die anderen ihre Arbeit tun.“ Er neigte den Kopf und küsste sie, zuerst zärtlich, dann fordernder.
„Ich liebe dich, Rule“, sagte sie, unfähig die Worte noch länger zu unterdrücken. Sie wünschte sich von ganzem Herzen, dass auch er diese Worte zu ihr sagen würde. Stattdessen küsste er sie ein letztes Mal. „Bete für mich“, war alles, was sie von ihm hörte.
Das Zuschlagen der schweren Zellentür war das Zeichen dafür, dass Violet fort war. Bei diesem Geräusch zog sich Rules Herz zusammen. Sie war zu seinem Bruder gegangen, wie sie es versprochen hatte, hatte mit dem Konstabler um seine Freiheit verhandelt. Sie hatte sich der Hässlichkeit Newgates gestellt, nur um zu ihm zu kommen und ihm Hoffnung zu geben.
Sie war so anders als alle anderen Frauen, die er je gekannt hatte. Sie war klüger, reizender, mutiger – und entschlossener.
Und sie hatte gesagt, dass sie ihn liebte.
Einen Moment lang war ihm schwindelig, als hätten diese schlichten Worte ihn vollkommen aus dem Gleichgewicht gebracht. Er wusste, dass sie es ernst meinte.
Sein Herz schlug heftig, als er sich an jenen Augenblick erinnerte. Welcher Mann würde sich nicht die Liebe einer solchen Frau wünschen?
Doch Rule wollte sie nicht.
Er wusste, er würde Violets Liebe nicht umsonst bekommen. Sie würde seine Liebe als Gegenleistung wünschen – wenn nicht sogar verlangen.
Rule konnte diese Liebe nicht geben. Er liebte seine Brüder und seine Familie, aber das war nicht dasselbe. Violet wünschte sich die Liebe eines Ehemannes, und eine Hingabe, die er ihr nicht geben konnte. Diese Art von Liebe hatte er noch nie empfunden und vermutlich würde er es auch nie.
Er dachte an ihr süßes Gesicht und hoffte, dass sie mit seiner Zuneigung glücklich werden könnte und mit seiner Sorge um ihr Wohlergehen. Er hoffte, dass sie mit seiner Sympathie und mit seiner Leidenschaft würde leben können.
Ein Laut im Gang draußen vor seiner Zelle erregte seine Aufmerksamkeit. Es war das Weinen eines anderen Gefangenen in einem anderen feuchten Verlies. Der Laut erinnerte ihn daran, dass er sich in Newgate befand und dass seine Sorgen um die Zukunft vielleicht keine Rolle mehr spielten.
Vielleicht würde es ihm niemals gelingen, seine Unschuld zu beweisen. Vielleicht würde er schon bald hängen.
Wenn das geschah, würde Violet frei sein von ihm. Sie würde frei sein, einen Mann zu finden, der sie so liebte, wie sie es verdiente.
Bei dem Gedanken daran wurde ihm übel.
Violet hielt es nicht mehr länger aus, weiterhin durch das leere Haus auf und ab zuwandern. Es wirkte plötzlich so einsam und so leer. Rule hatte sie gedrängt, an die Arbeit zurückzukehren. Nun, da ihre Verzweiflung immer größer wurde, erkannte sie, dass er recht hatte.
Sie drängte die Erschöpfung einer weiteren schlaflosen Nacht beiseite, band ihr Haar im Nacken zu einem Knoten zusammen, legte ein Kleid aus Wolle an und fuhr zu Griffin.
Terence Smythe begrüßte sie an der Tür, als sie hereinkam. Er wirkte bleich und erschüttert. „Ich habe es gerade erst gehört, Mylady. Wir sind alle ganz zornig. Wie können sie glauben, Lord Rule hätte jemanden umgebracht? So ein Mensch ist er einfach nicht.“
Sie lächelte matt. „Nein, das ist er nicht, Terry. Wir können nur hoffen und beten, dass der wahre Mörder bald gefunden wird.“ Ehe es zu spät ist, wie sie stumm hinzufügte. Aber in England verliefen Gerichtsverfahren sehr schnell. Mr Pinkard war es gelungen, die Richter davon zu überzeugen, ihm ein wenig mehr Zeit zu geben, um eine Verteidigungsstrategie entwickeln zu können, aber viel würden sie ihm nicht zugestehen.
Sie schritt den Gang hinunter in Rules Kontor, um nachzusehen, ob auf seinem Schreibtisch irgendetwas Wichtiges wartete. Sie nahm die Papiere, die oben lagen, und sah, dass es ein neues formelles Kaufangebot war.
Es stammte von Burton Stanfield.
Zorn stieg in ihr auf. Wie konnte er es wagen! Kaum saß Rule im Gefängnis, besaß Stanfield die Unverschämtheit zu glauben, sie wäre gezwungen sein Angebot anzunehmen. Er schien davon überzeugt,
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