Verfuehrung in bester Gesellschaft
sie in die Wanne und lehnte sich an den Rand.
Das Wasser fühlte sich herrlich an. Ihre Kopfschmerzen ließen nach, aber alles andere tat ihr weh. Sie erinnerte sich, wie sie im Theater gestürzt war, und an das erdrückende Gewicht von Menschen, die auf sie fielen und die sie beinahe zerquetscht hatten. Einen Moment lange hatte sie geglaubt, sterben zu müssen.
Dann war Rule gekommen. Er hatte sich einen Weg durch die Menge gebahnt, hatte entschlossen die verzweifelten schreienden Menschen beiseitegedrängt, um zu ihr zu gelangen.
In der vergangenen Nacht hatte er ihr das Leben gerettet. Er hatte sie vor dem sicheren Tod im Theater gerettet.
Andererseits hatte er ihr die Unschuld geraubt. Nun hatte er bekommen, was er wollte: das Vermögen, das ihr Vater für ihn beiseitegelegt hatte. Und sie.
„Lassen Sie mich Ihnen helfen, Mylady. Sie werden Ihre Haare waschen wollen.“
Violet widersprach nicht. Sie rochen nach Qualm und Feuer. Und nach weitaus intimeren Dingen. Rules männlicher Geruch schien wie ein Stempel auf ihrem ganzen Körper zu liegen.
Rule. Sie wollte nicht an ihn denken. Wollte nicht daran denken, welche Gefühle er in ihr geweckt hatte. Noch nicht.
Stattdessen konzentrierte sie sich auf das Bad, nahm Marys Hilfe an, ihr das Haar zu waschen und zu spülen und dann ein Handtuch um ihren Kopf zu wickeln.
„Das fühlt sich viel besser an.“ Sie lehnte sich wieder an den Rand des Zubers. „Danke, Mary. Wenn es dir nichts ausmacht, wäre ich jetzt gern einen Moment allein.“
„Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht, Mylady? Sie sehen noch recht blass aus.“
„Mir geht es gut. Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich mich freuen, wenn du mir später beim Ankleiden helfen könntest.“
„Natürlich, Mylady.“ Mary ging hinaus in die Halle und schloss leise die Tür hinter sich.
Mit einem erschöpften Seufzer ließ Violet sich tiefer in den Zuber gleiten und schloss die Augen. Sie hätte ihm nicht trauen dürfen. Obwohl er sie gerettet hatte, hatte er die Situation ausgenutzt und sie auf die übelste Weise benutzt.
So wie sie den Mann verraten hatte, den sie liebte.
Es schnürte ihr das Herz zusammen. Himmel, wie würde Jeffrey sich fühlen, wenn er herausfand, was sie getan hatte? Jeffrey würde ihr nie verzeihen. Es würde keine gemeinsame Zukunft für sie geben. Nie würde sie den liebenden Gatten finden, von dem sie geträumt hatte, stattdessen würde sie Jahre verbringen mit einem Mann, der sich nur um sich selbst sorgte und um seine persönlichen Bedürfnisse.
Am liebsten hätte Violet geweint. Sie unterdrückte ein Schluchzen.
Nach allem, was sie getan hatte, verdiente sie es nicht, Erleichterung in Tränen zu finden.
Als Mary zurückkehrte, war sie bereit, aus dem Zuber zu steigen und sich anzukleiden, um Rule gegenüberzutreten. Sie konnte es nicht erwarten, den Ausdruck auf seinem Gesicht zu sehen, wenn sie ihm sagte, dass sie die Scheidung wollte.
Rule saß in seinem Salon hinter dem Schreibtisch. Vor ihm lag ein Stapel Zeichnungen, die er von Griffin mitgebracht hatte. Es waren Modelle neuer Waffen sowie Skizzen zu Änderungen an den Gewehren und Musketen, die Griffin Manufacturing derzeit herstellte. Er musste alle durchsehen und entscheiden, was er übernehmen wollte und was sich gut verkaufen ließ.
Stattdessen konnte er an nichts anderes denken als an Violet und an das, was in der vergangenen Nacht zwischen ihnen geschehen war.
Sie hatte Schreckliches durchlitten. Er hätte nicht mit ihr schlafen dürfen, doch er konnte nicht behaupten, dass er es bereute. Früher oder später musste es passieren. Er war entschlossen, eine richtige Ehe zu führen.
Er schob seinen Stuhl zurück. Wenn sie noch nicht wach war, dann würde er sie wecken. Er machte sich ihretwegen Sorgen. Er musste sich davon überzeugen, dass es ihr gut ging.
Er wollte gerade zur Tür gehen, als diese ohne die leiseste Vorwarnung geöffnet wurde. Zu seiner Überraschung trat Violet hoch erhobenen Hauptes ein. Rule lächelte. Er dachte an die vergangene Nacht und begehrte sie schon wieder.
Violet erwiderte sein Lächeln nicht. Sie hatte ihre hübschen Lippen fest zusammengepresst, sodass sie weniger sinnlich wirkten als sonst. Unter ihren grünen Augen lagen dunkle Schatten. Sie sah müde aus – und sehr schön.
Unmittelbar vor ihm blieb sie stehen. „Wie konntest du es wagen? Wie konntest du das tun?“
Er blinzelte. Er hatte durchaus in Betracht gezogen, dass sie möglicherweise ein wenig
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