Verfuehrung in Florenz
und reichte es ihr. Eine wunderschöne, blutjunge Frau hielt einen kleinen Jungen auf dem Schoß, und es versetzte Eve einen Stich ins Herz, als sie die großen dunklen Augen mit den langen Wimpern und den geschwungenen Mund des Kindes erkannte.
Isabella war zum Ausgehen gekleidet. Sie trug ein schlichtes hellgrünes Satinkleid mit einem Sträußchen winziger rosa Satinrosen im Ausschnitt. Während sie direkt in die Kamera blickte und dabei strahlend lächelte, betrachtete Raphael das Gesicht seiner Mutter ernst und so eindringlich, dass es Eve einen Stich versetzte.
„Raphael ist ganz wie sie“, stellte Eve fest.
„Aussehen, si, vielleicht, aber sonst … wie Signor Antonio.“
Eve blickte überrascht hoch. „Tatsächlich? Ich dachte …“
„Ja, sie streiten, certo, aber weil sie sind gleich. Beide ostinati, orgogliosi, difficoltosi … Wie sagen? Immer recht haben wollen. Darum sie streiten.“
Eigensinnige, stolze und schwierige Männer. Das mochte durchaus stimmen. „Isabella war sehr schön. Molto bella. Und sie war sehr jung.“
„ Ventuno bei Hochzeit.“
Einundzwanzig, genau wie ich, dachte Eve und lenkte den Blick wieder von Isabellas strahlender Schönheit zurück zu dem kleinen Jungen. Instinktiv strich sie mit dem Daumen über sein Gesicht auf dem Foto, als könnte sie dadurch den Schmerz auslöschen, den er später erlitten hatte.
„Man sieht, wie sehr er sie geliebt hat. Ihr Tod muss für ihn schrecklich gewesen sein.“
„ Si, ein Kind so etwas sehen …“ Fiora verstummte und schüttelte betrübt den Kopf.
In der eintretenden Stille hörte man deutlich, wie Eve der Magen knurrte.
„ Signorina, mi dispiace! Colazione, poverina … Tut mir leid, Sie Arme. Frühstück. Kommen Sie, kommen Sie!“
Eve stellte das Bild auf den Flügel zurück, allerdings ganz nach vorn, damit es Antonio mit dem Filmstar verdeckte. Zahlreiche neue Fragen stiegen in ihr auf, doch Fiora eilte bereits in die Küche.
Nach einem letzten Blick in die dunklen Augen des kleinen Jungen folgte Eve der Haushälterin.
Eve trank den Kaffee auf der Terrasse. Das klare Licht des Morgens ließ vergessen, was sich hier am Vorabend abgespielt hatte. Nur an Raphaels Platz lagen noch Rosenblütenblätter auf den Steinplatten.
Eve hob eines auf und rieb es zwischen den Fingern. Der sinnliche Duft erinnerte sie sofort daran, wie sie Raphaels Wange gestreichelt hatte. Er hatte sie an sich gezogen und geküsst …
In diesem Moment war sie überzeugt gewesen, dass ihr alberner Plan klappen würde. Jetzt wirkte er nur noch lachhaft. Sie hatte geglaubt, wenn sie Raphael näherkäme, würde sie klarer sehen. Doch wie der antike Sagenheld Ikarus mit seinen Wachsflügeln war sie aus dummem Übermut der Sonne zu nahe gekommen und beinahe abgestürzt. Raphaels Nähe blendete und verwirrte sie.
Eve sah auf ihre Hand. In Gedanken hatte sie das Blütenblatt zerdrückt und zu einem unansehnlichen Ball geformt. Es war wie ein Omen. Was für ein Irrsinn zu glauben, sie könnte mit einem Mann wie Raphael Di Lazaro ihre Spielchen spielen und unversehrt davonkommen! Ihr Herz würde genauso leiden wie das Blütenblatt.
Von der Terrasse fiel der Rasen bis zu einer Reihe Zypressen ab, die entlang einer Steinmauer gepflanzt worden waren. Plötzlich wollte Eve nur noch fort von der Villa. Sie ließ das zerdrückte Rosenblatt fallen und schritt entschlossen auf die Bäume zu.
Aus der Nähe erkannte sie, dass die Mauer die Rückseite eines ebenerdigen Gebäudes war. Eve ging vorsichtig weiter, weil sie nicht wusste, ob hier nicht vielleicht jemand vom Personal wohnte. Als sie jedoch um die Ecke bog, erblickte sie begeistert den glitzernden Pool.
Das Gebäude war im Stil eines antiken römischen Badehauses gehalten. Marmorbänke standen im Schatten des breiten Vordachs. Beim Anblick des Beckens stieg in Eve die Sehnsucht auf, die beruhigende Wirkung des frischen Wassers auf ihrer erhitzten Haut zu spüren.
Als sie durch die Tür des Badehauses trat, fand sie sich in einem ganz in Hellgrün gehaltenen Raum wieder. An der einen Wand hing ein riesiger Spiegel über einer Marmortheke mit einer Auswahl an Lazaro – Kosmetika. Ein Raumteiler aus Milchglas verbarg die großzügige Duschnische, und zu beiden Seiten eines niedrigen Tischs mit einem Stapel Zeitschriften standen zwei weich und einladend wirkende Sofas.
Eve kam sich vor wie eine Forscherin, die unvermutet auf einen Goldschatz gestoßen war. Begeistert sah sie sich alles an, öffnete
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