Verfuehrung in Florenz
sinken und war für seine Wärme und Kraft unendlich dankbar.
Durch seine sanfte Liebkosung beruhigte sie sich allmählich, atmete wieder gleichmäßig und hörte auf zu zittern. Nicht aufhören, bitte … Die einzigen Geräusche, die sie wahrnahm, waren die seiner Hand auf ihrem Haar und der kräftige Schlag seines Herzens. Die Müdigkeit senkte sich wie ein Schleier über sie, der alles Unwichtige ausblendete. Sie nahm nur noch Raphaels Nähe wahr.
Behutsam ließ er sie wieder in die Kissen gleiten. Sie merkte, dass ihr kurzes T-Shirt hochgerutscht war. Doch viel stärker als ihre leichte Verlegenheit empfand sie ein Gefühl der Einsamkeit, sobald er sie losgelassen hatte.
Raphael deckte sie zu und stand auf, bückte sich und hob ihren Laptop und einige Blätter auf. Die Sachen waren wohl auf den Boden gerutscht, als sie einschlief. Schon streckte er die Hand nach dem Lichtschalter aus, als er plötzlich innehielt und auf Eve hinunterblickte. Erschöpfung zeichnete sein Gesicht, doch darunter wirkte es erneut verschlossen.
„Danke“, murmelte sie.
Raphael schüttelte leicht den Kopf, schaltete das Licht aus und ging.
Die Sonne stand schon hoch am tiefblauen Himmel, als Eve zögernd die Treppe herunterging. Der Gedanke, Raphael wiederzusehen, erfüllte sie schon jetzt mit Scham und Verlegenheit.
An einem einzigen Abend hatte sie sich nicht nur einmal, sondern sogar zweimal zur Närrin gemacht. Das war selbst für sie eine Leistung.
Beide Male hatte Raphael es würdevoll wie ein Kavalier hingenommen.
Zum Teufel mit ihm!
Eve war zeitig erwacht und hatte versucht, an ihrem Artikel weiterzuarbeiten. Es gelang ihr jedoch nicht, so sehr sie sich auch bemühte. Sienna und die Modenschau lagen scheinbar Ewigkeiten zurück. Diese Ereignisse gehörten zu einem anderen Leben, in dem sie noch wusste, woran sie glaubte, und in dem sie ihr Handeln selbst bestimmte. Seither hatte offenbar ihr Herz ihrem Verstand erklärt, seine Dienste würden nicht mehr benötigt, und die Macht an sich gerissen. Der Streit mit Lou am Vorabend war dafür der beste Beweis.
Sie konnte es ihrer Freundin nicht verübeln, dass sie sich Sorgen machte. Im umgekehrten Fall hätte sie das ebenfalls getan. Trotzdem fühlte sie sich in Raphael Di Lazaros Nähe sicherer als je zuvor.
Im Salon traf sie auf Fiora, die soeben die zahlreichen Bilderrahmen auf dem Konzertflügel abstaubte. Staubkörnchen tanzten in den Sonnenstrahlen, die durch die drei Glastüren fielen und den Raum erwärmten.
„ Buon giorno, Signorina! Gut geschlafen?“
Eve wollte schon ehrlich eingestehen, dass sie eine höchst unruhige Nacht hinter sich hatte, hielt sich jedoch zurück. Fioras vielsagende Miene deutete nämlich an, dass die Haushälterin sich darauf ihren ganz eigenen Reim gemacht hätte …
Hätte sie doch bloß recht!
„Sehr gut, vielen Dank, Fiora“, erwiderte Eve strahlend. „Hier ist alles so friedlich.“
„ Si, Signora. Signor Di Lazaro auch immer sagen. Nur hier ist gut schlafen.“
„Raphael Di Lazaro?“
„ No, Signor Antonio.“ Die Haushälterin seufzte. „Er so müde in letzte Zeit. Jetzt wir wissen warum.“ Tränen stiegen ihr in die dunklen Augen, und sie biss sich auf die Unterlippe, während sie geradezu andächtig den Staub von dem Rahmen in ihrer Hand wischte.
„Machen Sie sich keine Sorgen, Fiora. Ich bin sicher, dass Signor Antonio bald aus dem Krankenhaus heimkommt. Dann können Sie sich wieder um ihn kümmern.“
„ Si, si, lo spero … ich hoffen.“ Die Haushälterin seufzte und betrachtete liebevoll das Foto im Rahmen. Es zeigte Antonio im Abendanzug, Arm in Arm mit einer Frau, die wie ein italienischer Filmstar aussah. „Diese Krankenschwestern. Sie nicht wissen, wie es ihm recht machen. Er kein einfacher Mann, aber guter Mann.“
Nicht, wenn man Raphael Glauben schenken kann, dachte Eve. Sie nahm jedoch an, dass es Antonio in seinem gegenwärtigen Zustand ziemlich gleichgültig war, wie die Krankenschwestern ihn versorgten. „Arbeiten Sie schon lange für ihn?“, fragte sie.
„ Trentacinque anni, fünfunddreißig Jahre. Er bringen hierher Isabella als junge Braut, und ich fangen hier an.“
„Raphaels Mutter?“
„ Si.“ Fiora stellte das Bild zu den anderen, auf denen meistens Antonio in Abendkleidung und mit verschiedenen juwelengeschmückten Schönheiten am Arm zu sehen war. Eve fragte sich, welche von ihnen Isabella sein mochte.
„Wie war sie?“
Fiora griff nach einem kleinen Foto im Hintergrund
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