Verfuehrung in Florenz
behutsam die Hand auf den Arm, damit er sie ansah. Irgendwie musste sie die unerträgliche Spannung zwischen den beiden Männern lösen.
„Natürlich“, meinte Luca, plötzlich sehr zuvorkommend. „Ihr müsst gehen. Wir können die Unterhaltung später fortsetzen, mia cara, und dann können Sie mir auch Ihre Frage stellen.“
Raphael zuckte bei der vertraulichen Anrede zusammen, packte Eve am Arm und zog sie von Luca weg.
„Nein, nein“, sagte sie noch hastig. „Es spielt keine Rolle mehr.“
Zuerst war Eve tief enttäuscht, dass sie beim Dinner nicht neben Raphael saß, doch dann lernte sie den Mann zu ihrer Rechten kennen.
Paul war jung und aufgeweckt und kam zu ihrer größten Freude aus London. Schlagartig erschien ihr der Abend nicht mehr trist. Sie brauchte nicht zu befürchten, Raphael durch ihre fehlenden Italienischkenntnisse in Verlegenheit zu bringen. Es spielte auch keine Rolle, dass sie nur wenig über Fotografie oder internationale Konflikte wusste. Sie und Paul tauschten sich sofort über ihre Lieblingsorte in London aus und stellten fest, dass sie beide für einen ganz bestimmten Delikatessenladen in Notting Hill schwärmten. Von da an lief die Unterhaltung wie von selbst.
Hin und wieder allerdings, wenn sie zu Raphael hinübersah, durchfuhr Eve ein Stich der Eifersucht. Neben ihm saß die überaus sexy wirkende Alessandra Ferretti. Offenbar hatte sie gewartet, bis alle anderen ihre Plätze eingenommen hatten, damit ihr Auftritt besonders wirkungsvoll ausfiel. Und das war kein Kunststück, trug sie doch ein hautenges Kleid in leuchtendem Orange, das ihre sonnengebräunte Haut besonders vorteilhaft zur Geltung brachte.
Eve musste widerwillig ihre Fähigkeit anerkennen, einen öffentlichkeitswirksamen Auftritt zu inszenieren.
Alle anderen schienen allerdings eher ihren enorm tiefen Ausschnitt anzuerkennen.
Alessandra rückte ein Stück näher zu Raphael und redete auf ihn ein. Eve saß zu weit weg, um etwas zu hören, und sie verstand auch kein Italienisch. Dafür verstand sie aber Körpersprache.
Alessandras Körpersprache war eindeutig. Sie war auf eine private Feier nach der offiziellen Veranstaltung aus.
„Haben Sie schon den echten Mozzarella aus Büffelmilch gekostet?“, fragte Paul, als die Antipasti serviert wurden. „Sie lassen ihn jeden Donnerstag von einem kleinen Betrieb in Süditalien nach London einfliegen.“
Eve schüttelte den Kopf und versuchte, sich auf Pauls Worte zu konzentrieren. Ihre Leidenschaft für diese italienische Käsespezialität schwand jedoch rapide, als sie Alessandras Leidenschaft für einen ganz bestimmten italienischen Fotografen beobachtete.
Die andere lehnte sich zuversichtlich und verführerisch zurück, nippte an ihrem Weinglas, lachte und warf ihr dunkles Haar über die Schultern zurück. Auf einen ahnungslosen Beobachter wirkte sie lediglich angeregt, doch Eve hatte im Schein der vielen Kerzen das Verlangen in Alessandras Gesicht gesehen, während sie sich mit Raphael und nur mit Raphael unterhielt.
Für Eve war Raphael Lichtjahre entfernt, und die Ereignisse vom Nachmittag kamen ihr so unwirklich vor wie der Nebel, der sich vor den Fenstern über den Kanal senkte. Doch unvermittelt blickte Raphael hoch und lächelte ihr zu, und schlagartig fühlte sie sich besser.
Nach dem Hauptgang begann die eigentliche Preisverleihungszeremonie. Ein würdevoller Mann in den Sechzigern betrat das Podium an der Stirnseite des Saals. Die Unterhaltung verstummte, als die Lichter gedämpft wurden und der Mann zu sprechen begann. Eve bekam zwar nicht viel mit, doch sie war damit zufrieden, dazusitzen und einfach zuzuhören.
Während der Ansprache wurden auf einem Großbildschirm hinter dem Podium verschiedene Fotos gezeigt. Nun trat der Redner zur Seite, und auf dem Schirm erschienen Bilder der Fotografen, die in den verschiedenen Kategorien nominiert waren. Ein Gewinner nach dem anderen ging nach vorne, um den Preis in Empfang zu nehmen.
Je länger es dauerte, desto müder wurde Eve vom vielen Klatschen. Die Bilder verschwammen vor ihren Augen und wurden von anderen überblendet, die allein ihre Fantasie beisteuerte.
Raphaels nasses Haar, als er die Eingangstür des Palazzos aufschloss. Der Ausdruck ungezügelter Lust auf seinem Gesicht, als er sie in den dunklen Vorraum zog. Seine Hände an ihren Hüften, bevor er in sie eindrang …
Im letzten Moment konnte sie ein sehnsüchtiges Stöhnen unterdrücken. Sie blickte zu diesen Händen, die ihr
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