Verfuehrung in Gold
sie an ihm vorbeieilte. Er war stehen geblieben, weil er sich nicht weiter traute. Ein scharfes Knacken ertönte unter Emma. Nun wurde sie ebenfalls langsamer, glitt vorsichtiger weiter und hielt sich etwas mehr am Teichrand. Gleichzeitig versuchte sie, ihr Gewicht möglichst ausgewogen auf beide Beine zu verlagern.
Cantry musste sich gerührt oder einen weiteren Schritt gewagt haben, denn man hörte deutlich, wie sich eine Reihe neuer Risse bildete. Das erschreckte sogar Emma, sodass sie sich umblickte, ob Cantry eingebrochen war. Aber er stand noch sicher auf dem Eis – obgleich er nicht weiterkam –, und auf ihr Lächeln hin machte er große Augen.
»Laufen Sie nicht weiter«, rief er, als sie sich wieder nach vorn wandte und sich vorwärtsbewegte.
»Sie sind sehr viel größer als ich, Mr Cantry. Ich glaube, das Eis hält mein Gewicht aus.«
Sie hatte die Teichmitte passiert, und vor Erleichterung wurde sie ein wenig entspannter. Ihr nächster Schritt jedoch bewies, dass sie sich falsche Hoffnungen gemacht hatte. Unter ihrem linken Stiefel gab das Eis nach und zog ihr Bein in klirrend kaltes Wasser. Emma verlor den Halt und kippte nach vorn, sodass ihr rechtes Knie mit einem dumpfen Knall auf dem Eis aufschlug. Hinter ihr wurde wild gerufen.
Ein stechender Schmerz fuhr durch ihren Fuß und die Wade, und strahlte über ihr Knie bis in ihre Hüfte aus. Emma biss die Zähne zusammen, um all die Flüche zu unterdrücken, die ihr über die Lippen wollten, und wandte sich zum nächsten Rufenden um. Es war Lord Lancaster, der ein Dutzend Schritte entfernt stand, die Schuhe im tiefen Uferschnee vergraben.
»Bleiben Sie dort, Lord Lancaster. Das Eis würde Sie nicht tragen, und wenn Sie mich retten, bringen Sie mich um meinen Gewinn.«
»Zum Teufel mit der dämlichen Wette«, murmelte er, kam aber nicht näher, da er sofort einbrechen würde.
»Mir geht es gut«, log sie, verlagerte ihr Gewicht auf die Hände und strengte sich an, ihr gefühlloses Bein zu befreien.
»Was geht hier vor?«
Im ersten Moment erstarrte Emma, dann wandte sie sich zu der Stimme um. Der Duke of Somerhart näherte sich, ein deutliches Stirnrunzeln auf seinem auffallend schönen Gesicht. Emma stöhnte.
»Verdammter Mist«, flüsterte sie. Mit aller Kraft zog sie ihr Bein heraus. Zwar bekam sie es frei, doch bei der ruckartigen Bewegung fiel sie noch weiter nach vorn und schlug mit dem Gesicht auf dem nassen Eis auf. »Verdammt, verdammt, verdammt!«
Eis knackte und verschob sich unter ihr ähnlich einem wilden Tier, das aus seinem Schlummer erwachte. Sie konnte Somerhart nicht sehen, allerdings seinen derben Fluch rechts von sich hören. Vermutlich war er bei Lancaster.
»Worauf, zur Hölle, haben Sie sich eingelassen?«, knurrte er, als käme es ihm zu, sie zu schelten. Emmas Wut verlieh ihr die Kraft, sich auf alle viere aufzurichten.
»Halten Sie still. Ich komme.«
»Nein!«, rief sie und warf ihm einen zornigen Blick zu, ohne auf ihr wild pochendes Herz zu achten. »Ich will nicht aufgeben!«
Somerhart murmelte etwas, das selbst Lancaster zu schockieren schien.
»Ich erkenne Ihren Sieg an!«, rief Cantry hinter ihr.
Der Duke trat aufs Eis.
Emma rutschte behutsam auf das festere weiße Eis weiter vorn zu. Ein Knacken und Platschen verriet ihr, dass der Duke bereits eingebrochen war, und sie hatte Mühe, nicht schadenfroh zu grinsen, als sie sein Knurren hörte.
»Ich mag eine Frau sein, Gentlemen, aber ich besitze ein gewisses Maß an Ehrgefühl. Und ich gebe nicht auf, auch wenn ich nun weiß, dass das Eis zu dünn war, um Mr Cantry zu tragen.« Sie erreichte die festere Eisdecke und richtete sich auf. Dabei hoffte sie inständig, dass ihr kribbelndes Bein sie nicht im Stich lassen würde. Ein neuer Schmerz gesellte sich zu dem bisherigen, schärfer und beängstigender. Emma machte vorsichtig einen Schritt, dann noch einen. Innerhalb von zwei Minuten hatte sie das andere Ufer und die gaffenden Zuschauer dort erreicht.
Mehrere Hände klopften ihr anerkennend auf den Rücken; einzig die beiden anderen jungen Damen standen ein Stück weiter weg und beäugten sie missmutig. Sollen sie ruhig empört sein , sagte Emma sich. Ich bin fünfzig Pfund reicher. Ein plötzliches Verstummen machte sie auf die Ankunft der anderen Männer aufmerksam und verschaffte ihr Zeit, ein überzeugendes Lächeln zustande zu bringen.
»Durchlaucht«, murmelte sie, als er fast bei ihr war.
»Sind Sie verletzt?«
»Mir geht es gut,
Weitere Kostenlose Bücher