Verfuehrung in Gold
pechschwarzer Balken und Putzbrocken, bedeckt mit heller Asche, übrig. Und Emma war dort drin, verkohlt wie der Rest, ihr kostbarer Körper nicht unterscheidbar von den leblosen Holzstücken.
»Mrs Smythe ruht in Ihrer Kutsche aus, wie Sie befohlen haben, Durchlaucht.« Das nasale Gemurmel des Arztes machte Hart wütend. Warum war dieser Mann am Leben, und Emma war tot?
»Ich kann nichts mehr für die Frau tun, glaube aber, dass sie bald zu sich kommen wird. Darf ich jetzt gehen? Ich muss mich um andere Patienten kümmern, habe eine Frau, die unmittelbar vor der Niederkunft steht.«
»Gehen Sie!«
Zeit verging. Die Sonne sank tiefer, schien grell im Westen. Hart hielt Wache. Und irgendwann, als er zu Emmas angeblichem Grab sah, erinnerte Hart sich wieder. Aus unerfindlichen Gründen fiel ihm wieder ein, was ihm seit Tagen durch den Kopf spukte: Emmas Worte.
Ich habe dich dort gesehen.
Dieser Satz war die Wahrheit gewesen. Sie hatte ihn gesehen. Er entsann sich jetzt wieder an ein kleines Mädchen, ein bisschen jünger als seine Schwester. Sie hatte ihn zu Tode erschreckt, als sie auf Zehenspitzen durch die Dunkelheit an ihm vorbeischlich. An einem Ort, an dem sie nie hätte sein dürfen. Ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen gewesen, und ihre geflochtenen Zöpfe baumelten ihr über den Rücken.
O Gott, jetzt wusste er es wieder! Jemand ist in mein Zimmer gekommen , hatte sie geflüstert, als würde sie einem Freund ein Geheimnis anvertrauen. Und Hart, jung, arrogant und so verflucht von sich eingenommen – was hatte er getan, um ihr zu helfen? Er hatte ihren Vater mit einigen klaren Worten bedacht, ihm mit bitteren Folgen gedroht, sollte das Mädchen zu Schaden kommen, und dann …
Dann war er verschwunden und hatte die Kleine vergessen.
Ein verirrter Funke wurde von einem Windhauch gefangen, tänzelte aus dem Rauch auf und malte ein Muster vor Hart in die Luft, ehe er weiter nach oben stieg und in den Himmel entschwebte.
Ich habe dich dort gesehen.
Sie hatte ihn gesehen, hatte ihn mit dankbaren Kinderaugen angeschaut. Das stimmte. Und vielleicht waren auch die übrigen Worte wahr. Vielleicht hatte sie ihn irgendwann gehasst, war angewidert von ihm und allem, wofür er stand.
Aber er hätte ihre Meinung ändern können. Mit der Zeit hätte er ihr zeigen können, dass er nicht wie ihr Vater war.
Das sichere Wissen, dass er nie mehr Zeit mit ihr verbringen würde, zwang ihn in die Knie. Kühle Feuchtigkeit kroch durch den dünnen Stoff seiner Hose und erinnerte ihn an die Erde unter dem Gras, jene Erde, die sie nun für immer von ihm fernhalten würde.
Sie war so stark gewesen, hatte gegen ihn und gegen sich selbst gekämpft. Sie hatte sich mit ungestümem Wagemut und zweifelhafter Moral ihren Weg durch die Welt gebahnt und das betäubte Herz eines Dukes verzückt.
Fortan musste er mit diesem lebendigen, schlagenden, fühlenden Herzen weiterleben, aber ohne Emma.
Ein weiterer Funke löste sich aus der Brandruine und tänzelte langsam höher und höher. Hart blickte ihm nach, während sich die Welt um ihn herum verengte. Die rauchgeschwängerte Luft drückte ihm auf die Brust.
Hart versuchte zu atmen, konnte es aber nicht. Er versuchte es erneut, doch die Luft verweigerte sich ihm, sodass er den Kopf in den Nacken warf und keuchend einen tiefen Atemzug nahm. Nun war seine Kehle wieder offen, aber damit kamen auch die Tränen.
Er wusste nicht, wie er weinen sollte, fürchtete sich davor. Und so kniete er keuchend da, starrte in den verrauchten Himmel und wartete, dass es aufhörte.
»Durchlaucht?«
Er senkte den Kopf.
»Durchlaucht, die Frau, Mrs Smythe, kommt zu sich.«
Bess. Natürlich. Er musste sich um Bess kümmern. Hart richtete sich auf und war froh, dass sein Kutscher keine Anstalten machte, ihm aufzuhelfen.
Er hörte schon ihr Husten, als er auf halbem Weg durch den Garten war. »Haben Sie ihr Wasser gegeben?«
»Ja, Sir.«
Wohlwissend, was zu tun war, blieb Hart stehen und sah zurück zu den Überresten von Emmas Haus. Er ließ seinen Blick über alles schweifen und prägte sich das Bild ein, ehe er weiter zu seiner Kutsche ging. »Dann müssen wir fahren. Sie braucht Pflege, Ruhe und ein bequemes Zimmer.«
»Ich besorge ihr das Zimmer, Durchlaucht.«
Hart stieg in die Kutsche und nahm gegenüber der Bank Platz, die für Bess mit Decken ausgelegt worden war. »Bess, können Sie mich hören?«
Er nahm ihre Hand und fühlte, wie Bess sie schwach drückte. »Bess, wissen Sie,
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