Verführung in Manhattan
er, „einen sehr kostspieligen sogar. Einen weiteren wird der Vorstand nicht dulden.“
Sie legte die Hände locker auf die Armlehnen und nickte. „Und Sie möchten ihn davon überzeugen, dass Sie an diesen Schreibtisch gehören.“
„Es sind Geschäftsleute, Sydney. Gefühlsmäßig mögen sie eine Hayward an der Spitze vorziehen, doch am Ende wird die Gewinn- und Verlustrechnung den Ausschlag geben.“
Ihre Miene blieb gleichmütig, und ihre Stimme klang weiterhin fest. „Ich bin sicher, dass Sie auch in diesem Punkt Recht haben. Sollte mich der Vorstand jedoch weiterhin unterstützen, erwarte ich von Ihnen, dass Sie entweder loyal zu mir stehen oder kündigen. Etwas dazwischen akzeptiere ich nicht. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden … Ich habe zu tun.“
Nachdem Lloyd die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, griff Sydney zum Telefon. Doch ihre Hand zitterte derart, dass sie den Hörer wieder auflegen musste. Lloyd Bingham war ihr Feind, und er besaß Einfluss und Erfahrung. Bei der Renovierung des Gebäudes in Soho hatte sie übereilt gehandelt. Falls sie wirklich einenFehler gemacht hatte, würde Lloyd die Situation für sich nutzen.
Würde der Vorstand sie zum Rücktritt zwingen, falls sie nicht beweisen konnte, dass sie richtig gehandelt hatte?
Sie wusste es nicht, und das war das Schlimmste.
Doch sie wollte einen Schritt nach dem anderen tun, und dazu gab es nur eine Möglichkeit: Sie musste nach Soho fahren.
Während der letzten Tage hatte die Hitze etwas nachgelassen, doch heute Morgen war sie zurückgekehrt, und es war drückend und schwül.
Junge Mädchen in Shorts und Männer in verschwitzten Geschäftsanzügen drängten sich um die Stände auf den Gehsteigen und hofften, dass ihnen ein Eis oder ein Glas Saft das Leben erträglicher machen würde.
Als Sydney den Wagen verließ, traf die feuchte Luft sie wie ein Schlag. Um dem Fahrer das Warten zu ersparen, gab sie ihm für den restlichen Tag frei. Dann schirmte sie die Augen ab und betrachtete das Gebäude.
Die gesamte Fassade war eingerüstet. Werbeaufkleber der Lieferfirma klebten an den glänzenden Fensterscheiben. Im dritten Stock versuchte gerade jemand, das Papier zu entfernen.
Am Eingang warnte ein Schild vor den Bauarbeiten. Sydney hörte das Hämmern und Sägen und das Schlagen von Metall auf Metall. Aus einem Kofferradio erklang Rock ’n’ Roll.
Am Straßenrand parkte der verbeulte Lieferwagen eines Installateurs. Einige Leute standen herum. Sie schauten neugierig nach oben, und Sydney folgte ihrem Blick.
Da entdeckte sie Mikhail.
Für einen Moment setzte ihr Herzschlag aus. Mikhail befand sich im fünften Stock und bewegte sich äußerst gewandt auf einem sehr schmalen Brett.
„Von solchen Männern müsste es noch mehr geben“, meinte eine Frau neben ihr. „Der ist ja Klasse.“
Sydney schluckte. In Gedanken sah sie Mikhail schon von dem Gerüst stürzen und sich unmittelbar vor ihr das Rückgrat brechen. Entsetzt eilte sie ins Haus. Sie musste schnell zu ihm.
Der Fahrstuhl war geöffnet, und einige Handwerker beluden ihn. Sie wartete nicht ab, bis sie fertig waren, sondern stürmte die Stufen hinauf
Zwischen dem zweiten und dritten Stock verputzten verschwitzte Männer die Treppe. Sie pfiffen ihr anerkennend nach, doch sie kümmerte sich nicht darum. Jemand hatte den Fernseher zu laut aufgedreht, wahrscheinlichum den Baulärm zu übertönen. Ein Baby schrie, und es roch nach gegrilltem Hähnchen.
Ohne stehen zu bleiben, eilte sie vom vierten in den fünften Stock. Die Tür zu Mikhails Wohnung stand offen, und sie lief hinein. Beinahe wäre sie über einen grauhaarigen Mann mit Armen wie Baumstämme gestolpert, der am Boden hockte und sein Werkzeug sortierte. Geschickt fing er sie auf.
„Entschuldigung, ich hatte Sie nicht gesehen.“
„Macht nichts. Ich habe es gern, wenn die Frauen mir zu Füßen liegen.“
Sydney bemerkte seinen slawischen Akzent und sah sich nach Mikhail um. Vielleicht arbeiten hier lauter Ukrainer, dachte sie.
„Kann ich Ihnen helfen?“
„Nein … Ja.“ Sie presste die Hand auf die Brust, denn sie war völlig außer Atem. „Ich suche Mikhail.“
„Er ist da draußen“, erklärte der Mann und deutete mit dem Daumen zum Fenster.
Sydney sah ihn sofort – zumindest erkannte sie seinen schlanken gebräunten Oberkörper.
Der Mann betrachtete sie neugierig. „Wir sind für heute fertig. Möchten Sie nicht Platz nehmen?“
„Holen Sie ihn herein“, flüsterte Sydney.
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