Verführung über den Wolken
erst, wie hungrig sie war.
„Mit wem haben Sie denn vorhin telefoniert?“, fragte Gage, als sie am Tisch saßen. „Nur mit meinen Nachbarn. Wir hatten für morgen eine Motorradtour geplant.“
„Sie haben Bikerfreunde?“
„Warum nicht? Die sind auch nicht anders als andere Menschen.“
Als er zweifelnd den Kopf schüttelte, fuhr Lauren fort: „Sie haben wohl nicht viel Vertrauen in die Menschheit?“
„Wo ich herkomme, musste man aufpassen, dass man nicht bestohlen wurde“, sagte Gage und warf ihr ein ironisches Lächeln zu.
„Keine gute Nachbarschaft?“
Eine Weile sah er sie abwartend an. „Ich habe den Hauptteil meiner Kindheit und Jugend von der Wohlfahrt gelebt, in Armenküchen gegessen und im Auto meines Vaters geschlafen“, sagte er dann leise.
Überrascht starrte Lauren ihn an. „Das tut mir leid, Gage“, sagte sie schnell. „So sollte kein Kind leben müssen.“
„Ich brauche kein Mitleid. Ich will damit nur sagen, dass man nur das verdient, was man sich selbst erarbeitet hat.“
Sein Gesicht sah maskenhaft starr aus, und sie wusste, er würde nichts weiter über den Privatmann Gage Faulkner preisgeben. „Da haben Sie recht“, erwiderte sie deshalb nur. „Ich habe auch immer hart für alles, was ich habe, arbeiten müssen.“
„Tatsächlich?“ Ungläubig runzelte er die Stirn. Doch dann erschien der Kellner, um die Bestellung aufzunehmen. Als er gegangen war, sah Gage Lauren über den Tisch hinweg an. „Sie sagten, Sie seien mehr oder weniger auf einem Flugplatz groß geworden?“
„Wir hatten ein kleines Haus in der Nähe vom Daytona International Airport. Wir waren nicht arm, aber wir gehörten auch nicht zur Oberklasse. Ich war weder auf einer Privatschule, noch waren wir Mitglieder in einem Countryclub. Wir hatten auch keine Bediensteten, keinen Pool, keinen Tennisplatz oder andere Luxuseinrichtungen, ohne die Leute wie die Hightowers wohl nicht auskommen könnten.“
„Macht es Ihnen denn nichts aus, dass Ihre Halbgeschwister so viel vermögender sind als Sie?“
„Ich möchte nicht mit ihnen tauschen. Keiner von ihnen hat jemals das echte Leben kennengelernt. Sie sind nach dem College gleich in die Firma der Familie eingestiegen, wo man sie nicht entlassen konnte. Ich habe anfangs Autos und Flugzeuge gewaschen. Seit ich sechzehn war, habe ich im Restaurant gearbeitet, um mir das Geld für den Flugschein zu verdienen.“
Gage sah sie über den Rand seines Glases hinweg aufmerksam an. „Sie haben nie studiert?“
„Trent hat wohl wieder über mein Leben geplaudert, wie? Doch, ich war zwei Jahre auf dem College und dann …“ Sie biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. Sollte sie ihm sagen, dass sie dabei war, das Examen nachzuholen? Doch die letzten Kurse würde sie sich nur leisten können, wenn die Lebensversicherung des Vaters zahlte.
„Und dann …“ drängte Gage.
Ihn ging das alles nichts an. Warum sollte sie einem Fremden von ihren finanziellen Schwierigkeiten berichten? Zumal er es sicher sofort Trent weitererzählen würde. Und der hatte dann noch mehr Grund zu glauben, dass sie es nur auf das Hightower-Vermögen abgesehen hatte.
Der Kellner brachte den Salat. Gage griff nach der Gabel und sagte: „Morgen mieten wir uns Motorräder und erkunden ein bisschen die Gegend. Hier ganz in der Nähe ist ein Harley-Verleih.“
Lauren sah ihn erstaunt an. Was sollte das nun schon wieder? Musste sie auch darauf eingehen? „Das ist mir zu teuer.“
„Ich bezahle.“
„Haben Sie denn einen Motorradführerschein?“
„Ja. Ich habe zwar schon ewig nicht mehr auf einem Motorrad gesessen, aber den Führerschein habe ich.“
Sie musterte ihn, ließ ihren Blick über seinen perfekten Anzug und den präzisen Haarschnitt gleiten. Das Bild, das sich ihr bot, wollte absolut nicht zu einem Motorradfahrer passen. „Das kann ich kaum glauben.“
Er zog den Führerschein aus der Brieftasche und reichte ihn ihr. „Ich konnte mir im College kein Auto leisten und hatte eine alte Maschine.“
Sie sah sich die Karte genau an. Ja, es stimmte, sie galt auch für Motorräder. Laut Geburtsdatum war Gage fünfunddreißig. Komisch, er wirkte älter. Sie stutzte, als sie die Adresse las. „Das ist ja ganz in meiner Nähe. Keine besonders vornehme Nachbarschaft.“
„Ich gebe ungern Geld für unnötige Dinge aus.“
„Wie Privatjets zum Beispiel?“ Das kam so zynisch heraus, wie sie es eigentlich nicht vorgehabt hatte. Verdammt!
Verärgert runzelte Gage
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