Verführung über den Wolken
dass er jemanden so Unbedeutendes wie sie heiraten würde. Sie waren zwar ziemlich lange befreundet gewesen, aber er hatte sie schnell fallen lassen, als endlich die passende Frau aufgetaucht war.
„Mein Privatleben geht Sie nur dann etwas an, wenn es Auswirkungen auf meinen Job als Pilotin hat.“ Sie sprang auf und stellte sich aufrecht vor ihn hin. „Und was mein Studium angeht, da irren Sie sich gewaltig, Faulkner. Mein Vater ist tot. Falcon Air gehört zur Hälfte mir, und ich muss lernen, wie man einen Betrieb führt. Doch ich kann mir nicht vorstellen, dass es mir hilft, Ihnen wie ein Schatten zu folgen.“
„Doch. Sie können viel von mir lernen, weil ich sehr gut in meinem Metier bin.“
Sie schnaubte verächtlich. „Bescheidenheit ist wohl kaum Ihre größte Tugend.“
„Ihre auch nicht.“
„Außerdem haben wir Wochenende. Da arbeitet doch kaum einer.“
„Das macht nichts. Der Geschäftsführer und ein paar Angestellte werden da sein.“ Gage setzte sich und fing seelenruhig an zu essen.
Die Tür zur Küche schwang auf, und Esmé kam mit einer Kaffeekanne herein. Sie warf einen Blick auf Laurens vollen Teller. „Wie schön, dass du Appetit hast, mein Kind.“
Lauren wollte sie nicht enttäuschen. Außerdem, was hatte sie für eine Wahl? Sie zog einen Stuhl an den Tisch, nahm das Messer zur Hand und bestrich sich ein Brötchen.
Lauren starrte auf den Packen Bestellformulare, den Gage ihr in die Hand gedrückt hatte. So was konnte schon eine Zwölfjährige erledigen! Aber sie würde sich nicht beschweren. Das wollte er ja nur. Und diese Genugtuung gönnte sie ihm nicht.
Gage saß am anderen Ende des langen Konferenztisches und war offenbar mit etwas Interessanterem beschäftigt. Am liebsten hätte Lauren ihm etwas an den Kopf geworfen, aber stattdessen setzte sie sich seitlich an den Tisch, sodass sie ihn nicht sehen musste, und schlug die Beine übereinander. Vielleicht würde er etwas Spannenderes für sie finden, wenn sie mit diesem Zeug hier fertig war.
Nach zwei Stunden war sie endlich so weit. Was für eine Zeitverschwendung! „Fertig.“
Er sah hoch und blickte sie wieder mit einem dieser durchdringenden Blicke an, die sie in den letzten zwei Stunden versucht hatte zu ignorieren. „Alles durchgesehen?“
„Ja. Was haben Sie denn sonst noch für mich zu tun?“
„Lassen Sie mich mal schauen.“ Er legte den Füllfederhalter hin, stand auf und kam auf Lauren zu. Schnell erhob sie sich, streckte sich und ging zu dem kleinen Kühlschrank, um sich eine Cola zu holen. Sie wollte ihm lieber nicht zu nahe sein.
„Haben Sie diese Notizen gemacht?“
Sie sah, dass er ihren gelben Block in der Hand hielt. „Ja.“
„In einem Punkt haben Sie völlig recht. Unser Kunde sollte nicht immer die Zulieferer wechseln. Wenn er bei einem bleibt, dann kann er mit Rabatten rechnen.“
„Ihr Kunde“, verbesserte sie ihn. Falcon arbeitete schon lange mit immer denselben Lieferanten.
Gage lächelte knapp, ging zum Aktenschrank und holte einen Umschlag heraus. „Sehen Sie sich diese Papiere an, und sagen Sie mir, was Sie davon halten.“
Zögernd nahm sie den Umschlag entgegen und sah Gage erstaunt an. „Warum wollen Sie meine Meinung dazu hören?“
„Eine neue Sichtweise ist immer interessant.“
„Das ersetzt aber doch kaum ein professionelles Urteil.“
„Aber Sie sehen die Dinge von einer anderen Warte aus. Unabhängig von eingefahrenen Verhaltensweisen und Meinungen.“
Das klang ja beinahe wie ein Kompliment. „Okay.“ Wenn sie sich beeilte, hatte sie vielleicht doch noch Zeit, etwas von San Francisco zu sehen.
Seltsam, Gage sah sie an, als arbeite er gern mit ihr zusammen. Aber sie wollte nicht, dass er sie gernhatte.
Denn es bestand die Gefahr, dass sie dieses Gefühl erwidern würde. Und das durfte nicht sein. Auf gar keinen Fall.
Gage musste sich eingestehen, dass er Lauren unterschätzt hatte. Schwungvoll stieß er die Eingangstür zu der Pension auf. „Zeigen Sie mir Ihre Arbeit.“
Erstaunt drehte Lauren sich um. „Meine Abschlussarbeit? Warum denn das?“ Sein Interesse machte sie eher nervös, als dass es ihr schmeichelte. Am Morgen hatte sie sich extra den langweiligen Uniformrock angezogen und eine nicht sehr aufregende weiße Bluse, dazu flache Schuhe. Dieser Aufzug musste Gage doch eher abstoßen.
Doch das Gegenteil war der Fall. Ihr Anblick gefiel ihm außerordentlich gut. Nicht nur die Tatsache, dass sie ihr Haar lose hochgesteckt hatte und sich viele
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