Verfuehrung unterm Silbermond
dachten? Dass sie ihre Jugend für einen luxuriösen Lebenswandel an der Seite eines reichen älteren Mannes verkaufte?
Raffaele war allerdings erst Mitte dreißig, und an seinem Geld war sie nicht interessiert. Natasha nahm noch einen Schluck Champagner. Sie sollte überhaupt nicht an ihm interessiert sein!
„Das ist Natasha“, hörte sie Raffaele sagen. „Natasha, darf ich dir John Huntington vorstellen. Er und ich haben ein kleines Geschäft miteinander abgewickelt.“
„Ein kleines Geschäft?“, wiederholte John lachend, während er Natasha die Hand schüttelte. „Er hat mir einen riesigen Bürokomplex am Canary Wharf abgekauft.“
Raffaeles Blick wanderte hinüber zu der Blondine. „Ich glaube, wir haben uns noch nicht getroffen.“
Die Blondine schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln mit einem ebenso bezaubernden Augenaufschlag. „Nein“, flötete sie, „daran würde ich mich erinnern. Hallo, ich bin Susi.“
„Hallo, Susi“, grüßte Raffaele förmlich.
„Meinen Glückwunsch!“ Susi wandte sich jetzt an Natasha und nahm deren Hand, um sich den Ring mit neidischem Blick anzusehen. „Sie müssen mir verraten, wie Sie das geschafft haben. Ich versuche schon seit Monaten, einen solchen Klunker von John …“
„Ja, eigentlich von dem Moment an, als wir uns trafen“, unterbrach John. „Wir sitzen übrigens am selben Tisch, also sehen wir uns nachher noch.“ Er legte seine Hand auf Susis Rücken und versetzte ihr einen kleinen Schubs – wie einem Zirkuspferd, das nicht parierte. „Komm jetzt, Darling, sei ein braves Mädchen.“
Natasha fühlte sich an Susis Statt erniedrigt. Aber hatte die andere sich das nicht eigentlich selbst zuzuschreiben? Sie spielte offen die Glücksritterin bei John, während sie mit Raffaele flirtete.
Natasha war froh, als sie sich zum Dinner setzten, auch wenn sie keinen wirklichen Appetit auf die erlesenen Köstlichkeiten hatte, die aufgetragen wurden. Kein Wunder, dass die Portionen so winzig waren. Die Kleider, die die Frauen hier allesamt trugen, saßen so eng, dass gar kein Platz blieb, um sich den Bauch vollzuschlagen!
Kerzen flackerten, und der Duft von makellos weißen Rosen hüllte den gesamten Raum ein. Natasha saß zwischen John Huntington und einem Firmenanwalt, der sich als Charles vorgestellt hatte. Alle Männer am Tisch waren in der Finanzwelt zu Hause. Als wären sie Mitglieder in einem exklusiven Klub, der regelmäßig bei hochkarätigen gesellschaftlichen Anlässen zusammentraf.
„Wieso haben wir Sie vorher nie gesehen? Sie waren auch nicht in Wimbledon, nicht wahr?“, wandte sich eine der Frauen an Natasha.
Natasha bestätigte, dass sie nicht dort gewesen sei.
„Oh! Und in Cheltenham?“
„Das ist ein Pferderennen“, klärte Raffaele sie auf, als er ihre gerunzelte Stirn sah.
Flüchtig kam ihr der Gedanke, dass dieser Italiener mehr über England wusste als sie. Weil das nicht deine Welt ist, erinnerte Natasha sich selbst. Das war es nie gewesen, und diese Tatsache würde sich auch jetzt nicht ändern.
Während Raffaele sie betrachtete, fiel ihm auf, wie zerbrechlich und bescheiden sie aussah – trotz des Designerkleids und des lächerlich großen Diamanten, der viel zu dominant war für ihre schmale Hand. Bei den anderen Frauen stammten die mühsam antrainierten Muskeln aus dem Fitnessstudio und wirkten in ihrer Künstlichkeit wenig reizvoll unter den teuren Stoffen. Natashas wohltrainierter Körper hingegen rührte von einem langen Tag des Herumrennens mit Sam her. Und ihr Trainingsgerät war der Staubsauger, den sie durchs ganze Haus schob.
Selbst nach ihrer schillernden Verwandlung besaß sie eine Ausstrahlung, die sie von den anderen unterschied – Ruhe, Ausgeglichenheit, ja Reinheit. Er musste an eine zarte duftende Blume aus einem wilden Garten denken, die in starkem Kontrast zu den hochgezüchteten, geruchslosen Prunkblüten aus dem Gewächshaus stand.
Er presste die Lippen zusammen. Was sollte das jetzt? Dieses Märchen projizierte er nur auf sie, weil sie aus verschiedenen Welten stammten.
Und doch hatte er sie begehrt, als er sie küsste. Mehr als das … er hatte sich in ihr verlieren wollen …
Den Wein oder das Essen schmeckte er kaum, während er sie beobachtete. Sie schien ihre anfängliche Scheu verloren zu haben und unterhielt sich angeregt mit ihren Sitznachbarn. Raffaele hingegen war es unangenehm, wenn beide Männer auf ihre Bemerkungen hin laut auflachten.
Eifersucht. Ungewohnt, unerwartet und
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