Verfuehrung unterm Silbermond
hatte Raffaele de Feretti je als Gentleman bezeichnet, schon gar nicht er selbst.
Doch so sehr es ihm widerstrebte … Natasha hatte recht. Es gab zwei Möglichkeiten, wie das hier ablaufen konnte. Die offensichtlichste war, dass er sie weiter küssen und dass sie weiter auf ihn reagieren würde. Was automatisch zum nächsten Schritt führen würde – Sex. Vielleicht nicht hier im Auto, aber sobald sie zurück im Haus waren.
Welche Komplikationen das aufwerfen würde! Wie würden sie sich beide am nächsten Morgen vorkommen, wenn die Hitze des Augenblicks vorüber, das Verlangen gesättigt war? Würde Natasha Sam dann seine Schüssel Cornflakes zum Frühstück hinstellen und ihn in die Schule bringen, als sei nichts geschehen? Und dann? Natürlich wollte er, dass sie seine Verlobte spielte. Aber das würde das Ganze wohl etwas zu weit treiben.
Er runzelte die Stirn. Das hier war Natasha, es wurde Zeit, dass er sich wieder daran erinnerte. Vielleicht sollte er sie anweisen, sich sofort umzuziehen und wieder Jeans und Pullover zu tragen, sobald sie nach Hause kamen. Und ihm eine Kanne Kaffee zu bringen.
Er schlug ein Bein übers andere, erleichtert, die vertraute Wohngegend zu erkennen. Wahrscheinlich war eine solche Anordnung nicht unbedingt die klügste Vorgehensweise. Wer konnte schon sagen, wie Natasha darauf reagieren würde? Denn die alte Natasha existierte ja wohl nicht mehr. Sie hatte sich verabschiedet und war aufgegangen in dieser neuen, mit der neuen Frisur und der neuen Garderobe.
Würde er die alte Natasha je zurückbekommen?
„Wir sind da“, sagte er tonlos, als der Wagen vor seinem Haus hielt.
Natasha stieg aus, bevor der Fahrer ihr die Tür aufhalten konnte. Ich bin nicht mehr im Dienst, dachte sie trotzig und öffnete sich mit ihrem Schlüssel selbst die Tür.
Anna hatte es sich auf dem Sofa im Fernsehzimmer bequem gemacht und sah mit einem Lächeln auf, als Natasha eintrat. „Sie sind früher zurück als erwartet. Haben Sie sich gut amüsiert?“
„Es war ein fantastischer Abend“, erwiderte Natasha mit der Begeisterung, die man wohl von ihr erwartete.
Anna runzelte die Stirn. „Sie sehen blass aus.“
„Ich bin nur müde“, behauptete sie gedehnt.
„Ich auch.“ Raffaele kam ins Zimmer und trat schnurstracks hinter Natasha, um ihr den Arm um die Taille zu schlingen und an ihrem Ohr zu knabbern. „Wir gehen wohl besser früh zu Bett, mia bella .“
„Oh, natürlich … ich verstehe!“ Anna sprang lächelnd auf die Füße.
Natasha wand sich aus seinem Griff und ging zu Anna hinüber. „Mit Sam ist alles in Ordnung?“
„Klar. Ich habe ihm vorgelesen, bei der zweiten Geschichte ist er dann eingeschlafen, und seither habe ich keinen Pieps mehr von ihm gehört.“
Raffaele bestand darauf, Anna nach Hause zu begleiten. Automatisch begann Natasha aufzuräumen, sobald die beiden das Haus verlassen hatten. Bis sie zufällig ihr Spiegelbild erhaschte.
Anna hatte recht. Sie sah blass aus. Ihre Augen wirkten riesengroß und dominierten die Züge, die Unsicherheit und Rastlosigkeit ausdrückten.
Natasha hörte das Schlagen der Haustür, und hastig wandte sie sich von dem großen Spiegel ab.
Raffaele betrat den Raum, zog sich die Fliege vom Kragen und öffnete den obersten Hemdsknopf. „Was ist, Natasha?“, fragte er spöttisch. „Du siehst nicht sehr glücklich aus.“
„War diese kleine Show unbedingt nötig?“
„Von welcher kleinen Show redest du?“ Die Fliege, die er achtlos auf den Tisch warf, rutschte herunter.
„Diese Gefummel vor Anna.“ Sie unterdrückte den Impuls, die Fliege aufzuheben und nahm stattdessen die Teetasse, die Anna benutzt hatte.
Er zuckte nur die Schultern und erkannte erfreut die gleiche Frustration in ihren Gesten, die auch ihn umtrieb. „Aber wir sind verlobt, cara “, erwiderte er unschuldig. Sein Blick glitt zu den aufgerichteten Spitzen ihrer Brust, die sich unter dem Kleid deutlich abzeichneten. „Hast du das schon vergessen? Zeit fürs Bett, meinst du nicht auch? Oh, und mach bitte das Licht aus, bevor du nach oben kommst, ja?“, fügte er noch spöttisch hinzu, und damit war er verschwunden.
Natasha starrte noch immer auf die Tür, als er schon längst gegangen war. Sie hatte das dumpfe Gefühl, dass hier gerade eine Schlacht geschlagen worden war.
Und Raffaele hatte gewonnen.
8. KAPITEL
Die Zeitungen sah Natasha erst am nächsten Morgen, auf dem Rückweg zum Haus, nachdem sie Sam zur Schule gebracht hatte.
Sie hatte
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