Verfuehrung unterm Silbermond
zu spät gewesen, und nichts und niemand hätte uns trennen können.“
Anstatt über diese derbe Behauptung empört zu sein, begann ihr Puls wieder zu rasen. Eine Reaktion, die sie hinter einer wütenden Miene verbarg. „Bringst du mich jetzt zu dem Dinner?“
Sonst …? Er hörte das unausgesprochene Wort regelrecht. Einen Moment lang war er versucht, es darauf ankommen zu lassen, doch dann sah er den Ausdruck in ihren Augen. Diesen Ausdruck hatte er schon einmal gesehen – in jener Nacht, als sie im strömenden Regen vor seiner Tür gestanden hatte. Es war wie ein Feuer, in dem Stolz und Unnachgiebigkeit brannten.
„Ja, ich führe dich zum Dinner. Aber ich kann kaum den Augenblick erwarten, wenn es vorüber ist.“ Er senkte die Stimme zu einem tiefen Flüstern. „Denn wir beide wissen, was dann passieren wird.“
Sie wagte es nicht, ihm zu widersprechen. Einerseits wollte sie ihn nicht noch mehr provozieren, andererseits … sie fürchtete, dass er recht hatte und sie ihm nicht würde widerstehen können.
Und schließlich musste sie sich noch Gedanken um das bevorstehende Dinner machen. Hatte sie nicht nur ihr Herz, sondern auch ihren Verstand verloren? „Wie soll ich den Scheich anreden?“ Mit fahrigen Fingern fuhr sie sich über das Haar. Sie musste schrecklich aussehen.
„Sprich ihn mit seinem Vornamen an, aber warte, bis er es dir anbietet.“ Raffaele warf einen Blick auf ihre Frisur. „Dein Haar sieht großartig aus“, versicherte er.
Eine Bedienstete trat plötzlich aus einer der Türen und bedeutete ihnen, ihr zu folgen. Natasha fragte sich unwillkürlich, wie lange das Mädchen schon dort gestanden und gewartet hatte. Doch all ihre Bedenken zerstoben, kaum dass sie die letzte Stufe der Treppe erklommen hatte und nun auf der Dachterrasse stand. Vor ihr bot sich ein Bild wie aus einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht.
Messinglampen warfen warmes Licht über niedrige Tische und Diwane in Gold, tiefem Rot und sattem Safrangelb. Die gesamte Stadt breitete sich zu ihren Füßen aus. Hier die hell erleuchtete Hauptstraße mit dem angestrahlten Monument, dort die dunklen verwinkelten Gassen des Souk. Zahllose Sterne funkelten über ihnen an einem samtschwarzen Himmel, an dem ein silberner Halbmond stand. Natasha war überwältigt.
Dann hörte sie leises Flüstern näher kommen. Noch mehr Bedienstete, die einer beeindruckenden Gestalt vorausliefen, die jetzt auf die Terrasse trat. Der Mann trug schimmernde Seidengewänder, und ein Turban saß auf seinem stolzen Kopf. Sein dunkler Blick glitt neugierig über Natasha.
Instinktiv verbeugte sie sich leicht und wartete darauf, dass der Scheich sie ansprach.
„Und wer ist das?“ Mit einer ruckartigen Handbewegung entließ er seine Dienerschaft. Die Frage war an Raffaele gerichtet, so als könne Natasha nicht für sich selbst sprechen.
„Das ist Natasha.“
„Ah.“ Die Augen des Scheichs wirkten wie glühende Kohlen. „Deine Verlobte?“
„Ja.“
Der Scheich musterte sie nachdenklich – wie eine Ware auf dem Markt, dachte Natasha pikiert. Aber wahrscheinlich war er so erzogen worden, versuchte sie sich dann zu beruhigen.
„Sie wissen, wie viele Frauen liebend gern an Ihrer Stelle wären?“, fragte er leise.
„Ich danke täglich meinem Schicksal“, erwiderte sie bescheiden. Und zu ihrer Überraschung lachte der Scheich laut auf. Raffaele allerdings kniff abschätzend die Augen zusammen.
„Wie geht es deiner Schwester?“ Der Scheich wandte sich anteilnehmend an Raffaele. „Wie mir berichtet wurde, nicht besonders gut.“
Raffaele nickte. Ihm war klar, dass dieser mächtige Herrscher auf höchst gründliche und zuverlässige Informationsquellen zurückgreifen konnte. „Sie erhält die bestmögliche medizinische Versorgung. Ihre Ärzte haben mich bereits wissen lassen, dass sie sich auf dem Wege der Besserung befindet. Ich habe heute Morgen noch mit ihr telefoniert. So ausgeglichen hat sie sich schon lange nicht mehr angehört.“
„Das freut mich zu hören.“ Der Scheich drehte sich zu Natasha. „Sie müssen mich Zahid nennen. Aber nun … setzen wir uns doch.“ Mit gerunzelter Stirn sah er auf seine Armbanduhr, die in so krassem Kontrast zu seiner traditionellen Kleidung stand. „Mit dem Dinner werden wir warten müssen, bis unser letzter Gast erscheint, aber bis dahin können wir einen Drink nehmen. Vielleicht Champagner, Natasha?“
Zwar war sie versucht, aber sie schüttelte den Kopf. Würde sie Raffaele widerstehen
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