Verfuehrung wie in 1001 Nacht
Johara durch ihre Arbeit schon viel Schönes gesehen, was Menschen sich ausgedacht und gestaltet hatten.
„ Das passt zu dir!“, verkündete Aliyah. „Eine Aufmerksamkeit des Mannes, der dich kennt und hoch schätzt. Von deinem verliebten Bräutigam. Hier ist ein Brief dazu.“
Es war, als erwachte Johara zu neuem Leben. Sie richtete sich auf und widmete ihre Aufmerksamkeit dem, was den wahren Wert eines Geschenkes ausmacht: den liebevoll-fürsorglichen Gedanken des Schenkenden.
Mit tränenfeuchten Augen betrachtete sie Amirs elegante, kraftvolle Handschrift.
Ihr war, als hörte sie, wie er ihr die Worte leise ins Ohr flüsterte, gegen ihre Wangen und Lippen …
Lan ustatee abaddan ann oteeki ma yoofi jamalek huqqun, fahal turdeen an ta’khothi nafsi kollaha awadan, ya joharet hayati?
Das, was deine unermessliche Schönheit verdient, kann ich dir niemals geben. Willst du stattdessen mich, Juwel meines Lebens?
Tief berührt schwieg sie einen langen Moment.
Dann traten Aliyah und Laylah zu ihr, um ihre Freude mit ihr zu teilen. Bis Laylah schließlich sagte: „Johara, wenn du nicht wirklich nur den Schmuck tragen willst, solltest du jetzt besser das Kleid anziehen.“
Das Kleid war ein Traum. Ganz in Gold- und Brauntönen gehalten, brachte es Joharas Haar- und Augenfarbe wundervoll zur Geltung. Es war aus feinsten Materialien gearbeitet: aus Seide und Chiffon, Spitzen und Tüll.
Und es war ihr wie auf den Leib geschneidert.
Aliyah und Laylah fanden, es grenzte an ein Wunder, dass ein Mann seine Braut so genau kannte. Er hatte ein Kleid in Auftrag gegeben, das in jeder Hinsicht bestens passte.
Glücklich und etwas verlegen trat Johara vor den großen Spiegel und betrachtete sich darin. Wie hatte es Amir nur geschafft, dieses Traumkleid anfertigen zu lassen? Und noch dazu in so kurzer Zeit?
Seit ihrem sechzehnten Lebensjahr hatte sie viele schöne Kleider getragen, aber keines hatte ihre Persönlichkeit mehr verkörpert als dieses.
Das eng anliegende Oberteil betonte ihre schmale Taille und die vollen Brüste. Angedeutete Ärmel und ein tiefes Dekolleté ließen viel von Joharas heller Haut sehen – und von den Juwelen.
Das Rockteil, lehenga , war an einer Seite über der Hüfte gerafft. Von dort aus fiel es in üppigen Falten zu Boden. Nie hatte Johara schönere Stickereien gesehen, mit Pailletten, Perlen und Edelsteinen. Traditionelle Muster rankten sich um die verschlungenen Initialen ihres und Amirs Namen in arabischer Schrift. – Ein untrüglicher Beweis dafür, dass das Kleid in den letzten vierundzwanzig Stunden eigens für sie hergestellt worden war.
Dazu gehörte ein dupatta genanntes, langes und breites feines Tuch, auf dem sich die Motive wiederholten. Der dupatta wurde auf dem Kopf von einem Diadem gehalten, das unermesslich wertvoll gewesen wäre – wenn es echt gewesen wäre …
Johara betrachtete das wunderbare Bild, das sie im Spiegel bot, und freute sich. Doch gleich darauf wurde sie wieder ernst.
All der Aufwand für eine so schlichte Zeremonie.
„Es wird Zeit, Johara.“
Sie schüttelte die trüben Gedanken ab und ging Laylah und Aliyah voraus.
Egal wie einfach die Feier sein wird, dachte Johara, wie ich schon zu Amjad gesagt habe: Es ist mehr, als ich mir je erhofft habe. Ich heirate Amir. Und bekomme ein Kind von ihm. Nur das zählt wirklich.
10. KAPITEL
Sobald Joharas kleine Prozession den Flur zu den Gemächern verlassen hatte, schlossen sich ihr die ersten Frauen an.
Jedes Mal, wenn Johara sich umwandte, waren es mehr geworden. Die Frauen lächelten und scherzten leise. Jede Vierergruppe war gleich gekleidet, in Beige- und Brauntöne, wobei die Farben nach hinten hin immer dunkler wurden.
Bevor sie den Hauptteil des Palasts erreichten, sah sich Johara noch einmal um: Kein Zweifel, das war ihr Brautgefolge!
Sie hörte Laylah flüstern: „Oje, ich komme mir wie ein Pfau vor.“
Aliyah, die ein Kleid in Orange und Rot trug, schloss sich an: „Und ich mir wie ein Feuerdrache. Jemand hätte uns das mit den Farben sagen sollen.“
Für den Fall, dass Johara in ihrer Aufregung nicht alles mitbekam – was tatsächlich so war –, erklärte Laylah: „Mit ‚jemand‘ ist dein Bräutigam gemeint. Da gibt er sich so große Mühe, dass alles zu deinem Kleid passt – und uns sagt er nicht Bescheid!“
„Später einmal“, sagte Aliyah, „wenn deine Kinder die Hochzeitsfotos anschauen, werden sie fragen, warum ihre Tanten wie Papageien angezogen waren.“
„Ihr
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