Verfuehrung
Pläne?«
»Oh, ich habe für jeden Tag dieser und der nächsten Woche Pläne. Hier in der Stadt ist immer soviel los, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Julian barsch. »Das stimmt. Du bist aber nicht verpflichtet, an jedem Ereignis teilzunehmen, für das du eine Einladung bekommst. Ich hatte gedacht, inzwischen wärst du sicher froh, endlich mal ein oder zwei ruhige Abende zu Hause zu verbringen.«
»Warum, in aller Welt, sollte ich denn hier einen Abend allein verbringen wollen«, murmelte Sophy.
Julian verschränkte seine Hände auf dem Schreibtisch. »Ich hatte vor, den Abend auch hier zu verbringen.«
Sophy zwang sich noch ein Lächeln ab. Er versuchte nur nett zu sein, sagte sie sich. Und bloße Nettigkeit wollte sie nicht von ihm. »Ich verstehe, noch eine romantische Geste, um meine Launen zu befriedigen? Das ist sehr großzügig von Euch, aber die Mühe könnt Ihr Euch sparen, Mylord. Ich kann mich sehr gut allein unterhalten. Wie ich Euch schon sagte, seit ich hier in der Stadt bin, verstehe ich viel besser, wie die Männer und Frauen der Gesellschaft ihr Leben führen sollen. Jetzt muß ich aber wirklich los. Eure Tante wird sich schon fragen, wo ich bleibe.«
Sie erhob sich rasch und vergaß dabei den Hut auf ihrem Schoß. Er glitt zu Boden.
»Sophy, du mißverstehst meine Absichten«, sagte Julian, stand auf und ging um den Schreibtisch herum, um den Hut aufzuheben. »Ich dachte nur, wir könnten zusammen einen ruhigen Abend zu Hause genießen.« Er setzte ihr den Hut auf und band eine ordentliche Schleife unter ihrem Kinn.
Sie sah ihn an und wünschte, sie wüßte, was er wirklich dachte. »Ich danke Euch für die Geste, Mylord. Aber ich denke nicht im Traum daran, Euer gesellschaftliches Leben zu stören. Ich bin mir sicher, Ihr würdet Euch sehr langweilen, wenn Ihr zu Hause bleibt. Guten Tag, Mylord.«
»Sophy!«
Sie blieb mit der Hand am Türknopf stehen. »Ja, Mylord.«
»Was ist mit der Anstellung einer neuen Haushälterin?«
»Sagt Eurem Verwalter, er soll sich mit Molly Ashkettle unterhalten. Sie gehört seit Jahren zu Eurem Personal auf Ravenwood und wird ein perfekter Ersatz für die arme Mrs. Boyle sein.« Sophy ging rasch zur Tür hinaus.
Fünfzehn Minuten später wurde sie in Lady Fannys Bibliothek geführt. Harriette, Jane und Anne waren bereits in einen Stapel Bücher auf dem Tisch vertieft.
»Tut mir leid, daß ich zu spät komme«, entschuldigte sich Sophy, als sie von ihrer Arbeit hoch schauten. »Mein Mann wollte wegen einer neuen Haushälterin mit mir reden.«
»Wie seltsam«, sagte Fanny, die auf einer kleinen Leiter stand und im obersten Regal kramte. »Ravenwood gibt sich doch nie mit dem Einstellen von Personal ab. Er überläßt das immer seinem Verwalter oder dem Butler. Aber das spielt alles keine Rolle, meine Liebe, wir machen nämlich große Fortschritte bei deinem kleinen Projekt.«
»Das stimmt«, sagte Anne, klappte ein Buch zu und öffnete das nächste. »Harriette hat vor kurzem einen Hinweis auf den Tierkopf auf dem Ring gefunden. Es ist ein mythisches Wesen, das in einem sehr alten Buch über Naturphilosophie vorkommt.«
»Kein sehr erfreulicher Hinweis, fürchte ich«, sagte Harriette mit einem kurzen Blick auf ihre Brille. »In alten Zeiten hatte es etwas mit irgendeinem ekligen Kult zu tun.«
»Ich sehe momentan ein paar alte Werke über Mathematik durch, vielleicht finde ich da etwas über das Dreieck«, sagte Jane. »Ich habe das Gefühl, daß wir ganz nah dran sind.«
»Das hab ich auch«, sagte Lady Fanny und stieg von ihrer Leiter. »Nur macht mir das, was wir haben werden, wenn wir die Antworten finden, etwas Sorgen.«
»Warum sagst du das?« fragte Sophy. Sie setzte sich an den Tisch und nahm einen der schweren Folianten.
Harriette hob den Kopf. »Gestern nacht, kurz vor dem Schlafengehen, hat sich Fanny plötzlich vage an etwas erinnert.«
»An was denn?«
»Irgend etwas mit einem Geheimbund recht wilder junger Draufgänger«, sagte Fanny langsam. »Ich hab vor ein paar Jahren davon gehört. Ich habe nie Genaueres erfahren, aber soviel ich weiß, hatten die Mitglieder einen Ring, mit dem sie sich untereinander ausweisen konnten. Angeblich hat die Geschichte in Cambridge angefangen, aber einige der Mitglieder haben nach dem Studium den Club weiter aufrechterhalten. Zumindest für einige Zeit.«
Sophy sah kurz zu Anne und Jane und schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie hatten sich geeinigt, Fanny und Harriette nicht mit dem wahren Grund
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