Verfuehrung
sollte, bevor wir mehr darüber erfahren. Aber, wenn es die einzige Möglichkeit ist, das Geheimnis zu lüften, werde ich ihn vielleicht doch tragen müssen.«
»Nein«, sagte Anne ganz uncharakteristisch vorsichtig. »Ich muß Jane zustimmen. Du darfst ihn nicht tragen. Zumindest nicht, ohne uns vorher zu fragen. Versprichst du das?«
Sophy zögerte, sah von einem besorgten Gesicht zum anderen.
»Na schön«, sagte sie widerwillig. »Ich werde erst mit euch beiden reden, bevor ich den Ring wieder trage. Also, wir müssen uns alles gründlich durch den Kopf gehen lassen, und dann schauen wir, was wir an Informationen haben.«
»Der Mann im schwarzen Cape hat angedeutet, daß der Ring gewissen Leuten wie ihm bekannt ist«, sagte Anne nachdenklich. »Das läßt auf eine Art Club oder Gruppe schließen.«
»Außerdem war da noch die Andeutung, daß es mehr als einen solchen Ring gibt«, sagte Sophy. Sie versuchte, sich an die genauen Worte des Mannes zu erinnern. »Vielleicht ist er das Symbol eines Geheimbundes.«
Jane schüttelte sich. »Das gefällt mir gar nicht.«
»Aber was für ein Bund denn?« fragte Anne rasch, ohne Rücksicht auf die Ängste ihrer Freundin. »Wir müssen versuchen, seine Ziele zu erfahren, bevor wir feststellen können, was für eine Art Mann einen solchen Ring tragen würde.«
»Vielleicht finden wir etwas über diesen Geheimbund heraus, wenn es uns gelingt, die Bedeutung der Symbole auf dem Ring zu entschlüsseln.« Sophy drehte das schwarze Metallband zwischen ihren Fingern und studierte das Dreieck und den Tierkopf. »Aber, wie fangen wir das an?«
Es dauerte einige Zeit, bis Jane mit offensichtlichem Widerwillen das Wort ergriff. »Ich glaube, ich weiß, wo wir anfangen können.«
Sophy sah sie überrascht an. »Wo denn?«
»Lady Fannys Bibliothek.«
* * *
Drei Tage später rannte Sophy die Treppe hinunter, in einer Hand ihren Beutel, in der anderen den Hut. Sie lief durch die Halle und war schon fast an der Tür, die ein Lakai eilends öffnete, als Julian in der Tür der Bibliothek erschien. Sie sah sofort, daß er mit ihr reden wollte, blieb widerwillig stehen und zwang sich, ihn anzulächeln.
»Einen schönen Nachmittag, Mylord. Wie ich sehe, habt Ihr heute viel Arbeit«, sagte sie.
Julian verschränkte die Arme und lehnte sich gegen den Türpfosten. »Gehst du schon wieder aus, Sophy?« »Ja, Mylord.« Sophy setzte ihren Hut auf und begann die Schleife zuzubinden. »Ich habe Lady Fanny und Harriette versprochen, sie heute nachmittag zu besuchen.«
»Du hast sie diese Woche jeden Nachmittag besucht.«
»Nur die letzten drei Nachmittage, Mylord.«
Er neigte den Kopf. »Verzeihung. Du hast sicher recht. Wahrscheinlich waren es wirklich nur die letzten drei Nachmittage. Ich habe anscheinend den Überblick verloren, weil du jedesmal, wenn ich vorschlage auszureiten, oder in eine Ausstellung zu gehen, gerade zur Tür hinaus eilst.«
»Das Leben in der Stadt ist sehr hektisch, Mylord.«
»Eine echte Abwechslung im Vergleich zum Land, nicht wahr?«
Sophy beäugte ihn mißtrauisch und fragte sich, wohin das führen sollte. Sie wollte los. Die Kutsche wartete. »Wolltet Ihr etwas von mir, Mylord?«
»Ein bißchen von deiner Zeit, vielleicht?« sagte er leise.
Sophy nestelte an den Bändern ihres Hutes herum, bis die Schleife hoffnungslos schief war. »Ich fürchte, ich habe Eurer Tante versprochen, um drei da zu sein. Sie wird auf mich warten.«
Julian warf einen Blick über die Schulter auf die Uhr in der Bibliothek. »Du hast noch ein paar Minuten, bevor du losfahren mußt. Warum sagst du dem Stallknecht nicht, er soll die Pferde ein bißchen auf- und abführen? Ich möchte wirklich gerne deinen Rat in ein paar Angelegenheiten hören.«
»Rat?« Damit hatte er ihre Aufmerksamkeit. Julian hatte sie nicht um Rat gefragt, seit sie Eslington Park verlassen hatten.
»In einer Sache, die Ravenwood betrifft.«
»Oh.« Sie wußte nicht genau, wie sie darauf reagieren sollte. »Wird es lange dauern, Mylord?«
»Nein, meine Liebe. Es wird nicht lange dauern.« Er richtete sich auf und winkte sie mit einer eleganten Geste durch die Bibliothekstür. Dann sah er kurz zu dem Lakaien. »Sag dem Knecht, Lady Ravenwood wird noch eine Weile brauchen.«
Sophy setzte sich Julians Schreibtisch gegenüber und versuchte, den Knoten ihrer Hutschleife zu entwirren.
»Wenn du gestattest, meine Liebe.« Julian schloß die Bibliothekstür und ging zu ihr, um den Knoten zu
Weitere Kostenlose Bücher