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Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
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zurückzulassen. Es mußte doch eine andere Möglichkeit geben, mit ihr fertig zu werden.
    Unglücklicherweise hatte er damals nicht klar genug denken können, um eine Alternative zu finden.
    Die Sache ließ ihm immer noch keine Ruhe, als er viel später an diesem Abend seinen Club verließ. Er sprang in seine wartende Kutsche, der Kutscher knallte mit der Peitsche, und Julian lehnte sich im Sitz zurück und starrte mißgelaunt auf die dunklen Straßen hinaus.
    Natürlich packte ihn immer noch die Wut, wenn er daran dachte, wie Sophy ihn in jener schicksalshaften Nacht hereingelegt hatte, als er mit aller Gewalt sein Gattenrecht hatte durchsetzen wollen. Und er ermahnte sich mehrmals täglich, daß es von entscheidender Wichtigkeit war, ihr jetzt eine Lektion zu erteilen, am Anfang ihrer Ehe, solange sie noch relativ naiv und formbar war. Unter keinen Umständen durfte sie den Eindruck bekommen, daß sie ihn manipulieren könnte.
    Doch, gleichgültig wieviel Mühe er sich gab, sich an ihre Arglist zu erinnern und wie wichtig es war, solches Verhalten im Keim zu ersticken, so schlichen sich doch immer wieder andere Erinnerungen an Sophy ein. Ihm fehlten ihre morgendlichen Ritte, die intelligenten Gespräche über Farmverwaltung und die Schachspiele am Abend.
    Außerdem vermißte er ihren verlockenden, fraulichen Duft, die Art, wie sie ihr Kinn vorschob, wenn sie ihn herausfordern wollte und den Hauch sanfter Unschuld, der in ihren türkisen Augen schimmerte. Er mußte auch ständig an ihr spitzbübisches Lachen und ihre Sorge um die Gesundheit der Diener und der Pächter denken.
    In der vergangenen Woche hatte er sich mehrmals dabei ertappt, daß er sich fragte, welches ihrer Kleidungsstücke wohl in diesem Moment gerade wieder verrutscht war. Dann schloß er kurz die Augen und stellte sich vor, wie ihr Reithut schief über dem Ohr hing oder der Saum ihres Rockes gerissen war. Ihre Zofe hatte immer genug Beschäftigung.
    Sophy war völlig anders als seine erste Frau.
    Elizabeth war immer makellos gekleidet gewesen - jede Locke saß, jedes Dekollete war geschickt arrangiert gewesen, um ihre Reize gut zur Geltung zu bringen. Selbst im Schlafzimmer hatte die erste Gräfin von Ravenwood immer elegante Perfektion verbreitet. Sie war eine schöne Göttin der Lust gewesen in ihren raffiniert geschnittenen Nachtgewändern, eine Kreatur, die die Natur geschaffen hatte, um die Leidenschaften der Männer zu erwecken und sie ins Verhängnis zu locken. Julian wurde jedesmal übel, wenn er daran dachte, wie rettungslos er in dem seidenen Netz dieser Hexe gefangen gewesen war.
    Er verdrängte energisch die alten Erinnerungen. Er hatte Sophy zur Frau gewählt, weil sie so völlig anders war als Elizabeth, und er war wild entschlossen, dafür zu sorgen, daß sie auch so blieb. Gleichgültig welchen Preis er dafür bezahlen mußte, er würde nicht dulden, daß seine Sophy denselben flammenden, zerstörerischen Weg einschlug, den Elizabeth gewählt hatte.
    Sein Ziel war zwar klar, aber er war sich nicht so sicher, wie er es bewerkstelligen sollte, dieses Ziel auch zu erreichen. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, Sophy auf dem Land zu lassen. Nicht nur, daß sie ohne adäquate Aufsicht war, er saß hier in der Stadt und wußte nichts mit sich anzufangen.
    Die Kutsche hielt vor der imposanten Stadtresidenz, die Julian hier unterhielt. Er warf einen mürrischen Blick auf die Eingangstür und dachte an das einsame Bett, das ihn dort erwartete. Wenn er einen Funken Vernunft hätte, würde er jetzt die Kutsche wenden lassen und zum Trevor Square fahren. Marianne Harwood würde ihn sicher mit offenen Armen empfangen, selbst zu dieser späten Stunde. Aber selbst die Verlockungen der üppigen Reize von La Belle Harwood konnten ihn nicht von seinem selbstauferlegten Zölibat abbringen. Schon achtundvierzig Stunden nach seiner Ankunft in London war Julian klargeworden, daß die einzige Frau, nach der er sich sehnte, seine Gemahlin war.
    Er war sicherlich nur so besessen von ihr, weil er sich versagt hatte, was ihm rechtmäßig zustand, beschloß er, als er der Kutsche entstieg und die Treppe erklomm. Eines war jedenfalls sicher: Das nächste Mal, wenn er mit Sophy ins Bett stieg, würden sie sich beide klar und deutlich an jede Einzelheit erinnern.
    »Guten Abend, Guppy«, sagte Julian, als der Butler die Tür öffnete. »Du bist so spät noch auf? Ich dachte, ich hätte gesagt, du brauchst nicht auf mich zu warten?«
    »Guten Abend, Mylord.«

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