Verfuehrung
tristes, abweisendes Haus.
Der Butler sah sie mit traurigen Augen an, als sie niedergeschlagen die Halle betrat. »Wir hatten uns schon Sorgen um Euch gemacht, Mylady«, sagte er leise.
»Danke, Tyson. Wie ihr seht, bin ich bei bester Gesundheit. Wo ist Lord Ravenwood?«
»In der Bibliothek, Mylady. Und er hat Order erteilt, daß er nicht gestört werden will.«
»Ich verstehe.« Sophy ging langsam auf die Treppe zu und warf einen verängstigten Blick auf die ominös geschlossenen Bibliothekstüren. Dann raffte sie die Röcke ihres Reitkostüms auf und rannte die Treppe hoch, ohne Rücksicht auf die besorgten Blicke der Dienerschaft.
Zum Dinner tauchte Julian wieder auf, um seine Rache zu verkünden. Als er sich ihr gegenüber an den Tisch setzte und sie seinen grimmigen Blick sah, wußte sie, daß er seinen Racheplan über einer Flasche Wein ausgebrütet hatte.
Eisiges Schweigen legte sich über das Speisezimmer. Sophy kam es vor, als würden all die Figuren in den gemalten Medaillons an der Decke mit anklagenden Augen auf sie herunterstarren.
Sie versuchte, irgendwie ihren Fisch hinunterzu würgen, als Julian den Butler und den Lakaien mit einer kurzen Kopfbewegung aus dem Zimmer schickte. Sie hielt den Atem an.
»Ich werde morgen früh nach London abreisen«, sagte Julian. Das waren seine ersten Worte an sie seit dem Ausritt.
Sophy hob voller Hoffnung den Kopf. »Wir fahren nach London, Mylord?«
»Nein, Sophy, du fährst nicht nach London. Ich fahre. Du, mein liebes, ränkevolles Weib, wirst hier in Eslington Park bleiben. Ich werde dir deinen liebsten Wunsch erfüllen. Du kannst den Rest dei-ner drei kostbaren Monate in absolutem Frieden verbringen. Ich gebe dir mein Wort, daß ich dich nicht belästigen werde.«
Jetzt dämmerte ihr, daß er sie einfach hier in der Wildnis von Norfolk aussetzen wollte. Sophy schluckte entsetzt. »Ich werde ganz allein sein, Mylord?«
Er grinste bösartig. »Ganz allein was irgendwelche Gefährten oder einen schuldbeladenen Ehemann betrifft, der um dich herumscharwenzelt. Aber du hast ja ein ausgezeichnet geschultes Personal zu deiner alleinigen Verfügung. Du kannst dich damit amüsieren, ihre wehen Hälse und schlechten Lebern zu kurieren.«
»Julian, bitte. Es wäre mir lieber, du schlägst mich einfach und wir bringen es hinter uns.«
»Führ mich nicht in Versuchung«, riet er mit sarkastischem Augenaufschlag.
»Aber ich will hier nicht alleine bleiben. Ein Teil unserer Abmachung war, daß ich nicht aufs Land verbannt werde, wenn du nach London gehst.«
»Du wagst es, diese wahnsinnige Abmachung, nach allem, was du getan hast, immer noch im Mund zu führen?«
»Es tut mir leid, wenn es Euch nicht gefällt, Mylord, aber Ihr habt mir vor der Ehe in bestimmten Angelegenheiten Euer Wort gegeben. So wie ich das sehe, habt Ihr in einem Punkt den Eid fast gebrochen, und jetzt macht Ihr es schon wieder. Es ist nicht... ehrenwert von Euch, Mylord.«
»Wage nicht, mir Vorträge über Ehre zu halten, Sophy. Du bist eine Frau und verstehst nur sehr wenig davon«, brüllte er.
Sophy sah ihn unverwandt an. »Ich lerne schnell.«
Julian warf leise fluchend seine Serviette beiseite. »Schaut mich nicht an, als hätte ich keine Ehre, Madame. Ich versichere Euch, daß ich meinen Eid nicht brechen werde. Ihr werdet Euren Tag in London kriegen, aber der Tag wird erst kommen, wenn Ihr Eure Pflicht als Ehefrau gelernt habt.«
»Meine Pflicht.«
»Am Ende Eurer drei Monate werde ich nach Eslington Park zurückkehren und das Thema ausführlich besprechen. Ich hoffe doch, daß Ihr Euch bis dahin entschließen könnt, meine Berührung zu tolerieren. Ich werde aus dieser Ehe kriegen, was ich will.«
»Einen Erben und keinen Ärger.«
Ein Mund verzog sich zu einem grimmigen Grinsen. »Ihr habt mir bereits eine Menge Ärger gemacht, Sophy. Erfreut Euch daran, weil ich nicht noch einmal dulden werde, daß Ihr mein Leben in ein Chaos verwandelt.«
Sophy stand am nächsten Morgen recht armselig, aber mit tapfer erhobenem Haupt zwischen den Marmorstatuen in der Halle und beobachtete die Vorbereitungen für Julians Abreise. Während sein Valet das Verladen seines Gepäcks in die Kutsche überwachte, verabschiedete sich Julian sehr kühl und förmlich von seiner Braut.
»Ich wünsche Euch viel Freude an Eurer Ehe in den nächsten zweieinhalb Monaten, Madame.«
Er wollte sich schon abwenden, da sah er das baumelnde Band in ihrem Haar und fluchte kurz. Er griff rasch in ihr Haar, band
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