Verfuehrung
sträflichen Handeln heute morgen und dem, was ich in einer solchen Situation getan hätte, zu ziehen.«
»Warum nicht? Soll mir die Gelegenheit verwehrt bleiben, die Regeln der Ehre einzuhalten, nur weil ich eine Frau bin?«
»Ja, verdammt noch mal. Ich meine, nein. Versuch bitte nicht, das Ganze noch verworrener zu machen als es ohnehin schon ist. Die Ehre verlangt von dir nicht dasselbe, was sie von mir in derselben Situation erwarten würde, und das weißt du, verdammt noch mal, auch.«
»Ich finde es nur fair, daß ich demselben Kodex gerecht werde wie Ihr auch, Mylord.«
»Nur fair? Fairneß hat nichts damit zu tun.«
»Soll ich denn keine Mittel in solchen Situationen haben, Mylord?« fragte Sophy wütend. »Keine Möglichkeit, mich zu rächen? Keinen Weg, eine Frage der Ehre zu klären?«
»Sophy, hör mir bitte zu. Als dein Gemahl ist es meine Pflicht, dich zu rächen, sollte es nötig sein. Und ich sage dir hier und jetzt, daß es besser nie so weit kommen sollte. Es gibt aber keine Umkehrung der Situation. Das ist unvorstellbar.«
»Ihr solltet es Euch aber vorstellen, Mylord, denn genau das ist passiert. Und Ihr wart es nicht, der verpflichtet war, das zu regeln, sondern ich. Und ich habe der Ehre genüge getan. Ich verstehe nicht, wieso du mir das vorwirfst, Julian.«
Das verschlug ihm die Sprache. Es dauerte einige Sekunden, bis er sich wieder gefangen hatte. »Ich soll dir keinen Vorwurf machen? Sophy, was du heute getan hast, war empörend und skandalös. Es zeugt von einem beklagenswerten Mangel an gesundem Urteilsvermögen. Dir keinen Vorwurf machen? Sophy, diese Pistolen sind kein Spielzeug, sie sind Meisterstücke von Manton.«
»Dessen bin ich mir sehr wohl bewußt, Mylord. Außerdem kann ich mit ihnen umgehen. Ich hab dir gesagt, daß mir mein Großvater den Umgang mit Pistolen beigebracht hat.«
»Du hättest getötet werden können, du kleine Närrin.« Julian
sprang auf und ging zur Vorderseite des Schreibtischs. Er lehnte sich dagegen und verschränkte seine Beine. »Hast du darüber nachgedacht, Sophy? Hast du dir überlegt, welches Risiko du eingehst? Ist dir vielleicht in den Sinn gekommen, daß du inzwischen tot sein könntest? Oder eine Mörderin? Duelle sind gegen das Gesetz, wie du weißt. Oder war das alles nur ein Spiel für dich?«
»Ich versichere Euch, es war kein Spiel, Mylord. Ich war -« Sophy verstummte und mußte schlucken, als die Erinnerung an ihre Ängste zurückkam. Sie wandte sich von Julians bohrendem Blick ab. »Ich hatte ziemliche Angst, um ehrlich zu sein.«
Julian fluchte leise. »Du glaubst, du hättest Angst gehabt«, murmelte er vor sich hin, dann sagte er: »Und hast du an den möglichen Skandal gedacht, Sophy? Hast du daran gedacht?«
Sie wagte nicht, ihn anzusehen. »Wir haben Schritte unternommen, damit gewährleistet ist, daß es keinen Skandal gibt.«
»Ich verstehe. Und wie hättest du denn eine Schußwunde erklärt, meine Liebe? Oder eine tote Prostituierte in Leighton Field?«
»Julian, bitte, du hast schon genug gesagt.«
»Genug?« Julians Stimme wurde gefährlich leise. »Sophy, das kann ich dir versichern, ich habe noch nicht mal richtig angefangen.«
»Also, ich sehe keinen Grund, warum ich mir noch mehr Vorträge von dir zu diesem Thema anhören soll.« Sophy sprang auf und blinzelte gegen die Tränen an, die auf ihren Wimpern zitterten. »Du verstehst es offensichtlich nicht. Harry hat ganz recht, wenn sie sagt, Männern fehlt die Fähigkeit, die Dinge zu begreifen, die für eine Frau wichtig sind.«
»Was begreife ich denn nicht? Die Tatsache, daß du dich schockierend benommen hast, obwohl ich dir ausdrücklich gesagt habe, daß ich eines nicht dulden werde, nämlich, daß du ins Gerede kommst?«
»Es wird kein Gerede geben.«
»Das glaubst du vielleicht. Ich habe heute früh mein Bestes getan, um die Featherstone einzuschüchtern, aber es gibt absolut keine Garantie, daß sie den Mund halten wird.«
»Das wird sie. Sie hat es versprochen.«
»Verdammt noch mal, Sophy, du bist doch wohl nicht so naiv, dem Wort einer professionellen Dirne zu trauen?« »Soweit ich das beurteilen kann, ist sie eine Frau von Ehre. Sie hat mir ihr Wort gegeben, daß sie deinen Namen nicht veröffentlichen und Stillschweigen über die Ereignisse dieses Morgens bewahren wird. Das genügt mir.«
»Dann bist du eine Närrin. Und selbst wenn die Featherstone den Mund hält, was ist mit dem Jungen, der dich nach Leighton Field gefahren hat? Was
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