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Vergeben, nicht vergessen

Titel: Vergeben, nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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schon alles.
    Sie beobachtete Emma dabei, wie sie die letzten Brotkrümel in die Form eines Apfels drückte. Nachdem sie die kleine Kugel der gierigen Ente zugeworfen hatte, rief Molly ihr zu: »Hey, Em, vielleicht kannst du später einmal einen Partyservice eröffnen.«
    Die Enten hörten zu quaken auf. Sie wussten, dass das Brot zu Ende war. Nun gingen sie wieder zurück zum Teich, watschelten unbeholfen und schlugen mit den Flügeln.
    »Was ist das denn, Mama?«
    »Das ist ein Service, bei dem man dafür bezahlt wird, für andere zu besonderen Anlässen zu kochen. Du würdest viele verschiedene gute Sachen zu kosten bekommen. Du würdest sehr einfallsreich werden, genau wie eben, als du das Brot zu einem Apfel geformt hast. Du wärst ein Lebensmittelkünstler. «
    »Müsste ich die Leute dann auch füttern?«
    »Emma, ist das als Witz gemeint gewesen?«
    Emma dachte darüber nach, dann lächelte sie ihre Mutter an. »Wohl eher nicht.«
    »Nein, sie würden dir nicht aus der Hand fressen. Und wenn, dann nur im übertragenen Sinn.« Molly blickte über das wunderschöne Anwesen. Sie legte einen Arm um Emma und zog sie zu sich heran. Sie hätte sie so gern nach ihren Gedanken und Gefühlen befragt, befürchtete jedoch, nicht richtig zu reagieren, falls Emma ihr etwas Schlimmes erzählen sollte. Stattdessen wandte sie sich mit vor Zärtlichkeit weicher Stimme an ihre Tochter: »Heute scheint die Sonne, Liebling. Möchtest du nach Bunratty Castle fahren? Dort könnten wir ein Picknick machen. Da es bei unserem ersten Besuch neulich geregnet hat, hast du nur zehn Minuten dort verbringen können. Ramsey meint, wenn die Sonne scheint, wäre es ein ganz toller Ort.«
    Emma grinste bei jeder Erwähnung von Bunratty Castle, etwas westlich von Limerick, wo William Penn im Jahre 1644 geboren worden war und wo sein Vater, Admiral Penn, im Bürgerkrieg kapituliert hatte und nach Amerika gesegelt war. Das wiederum hatte zu Geschichten über die Quäker in Pennsylvania geführt. Ramsey kannte ein gutes halbes Dutzend, die er während seiner Kindheit in der Nähe von Harrisburg gehört hatte. Emma wischte sich die Hände an den Jeans ab und sagte zu Molly: »Ich würde gerne einmal alle Stufen hochgehen. Vielleicht schaffe ich es dieses Mal bis ganz oben, ohne dass Ramsey mich tragen muss. Okay, lass uns dorthin fahren, Mama. Tommy meinte, dass bald schon die Touristenbusse kommen. Jetzt ist es dafür noch zu früh, sagt er.«
    Molly blinzelte. Es war Ende Mai. Das Leben hatte sich so grundlegend verändert, dass Molly nicht mehr den Wochentag, geschweige denn den Monat hätte benennen können. »Ja, jetzt fängt die Touristensaison gerade erst an. Ist das nicht erstaunlich?« Vor einem Monat noch hatte sie Fotos gemacht, hatte ihre Fähigkeiten erweitern wollen. Ihr Leben war ausgelastet gewesen und hatte ihr Spaß gemacht. Vielleicht nicht ganz und gar ausgelastet, aber das war in Ordnung. Im Herbst würde Emma in die erste Klasse kommen, worauf sie sich beide gefreut hatten. Dann war Emma entführt worden, und ihre Leben waren außer Kontrolle geraten.
    Plötzlich streckte Emma ihre linke Hand vor. »Das hat mir Tommy gegeben.« Es war ein kleiner, sauber gearbeiteter Silberring mit einem lila Stein. »Tommy sagt, er ist keltisch.«
    Molly hielt die kleine weiße Hand und betrachtete den schönen Ring auf deren Mittelfinger. »Er ist wunderschön. Hat er ihn dir heute Morgen geschenkt?«
    »Er meinte, wenn ich meinen Haferbrei essen würde, hätte er ein kleines Geschenk für mich. Das war gestern.«
    Plötzlich bekam Molly Angst. Sie hatte Tommy mit Emma sprechen gesehen, aber wann hatte er ihr den Ring gegeben? War Tommy eines dieser Ungeheuer? Wollte er Emma dazu bringen, ihm zu vertrauen? Einen Moment hatte sie eine solche Angst, dass ihr die Luft wegblieb. Nein, sie benahm sich kindisch. Er war ein netter Junge, höchstens siebzehn Jahre alt, mit knallrotem Haar und sehr heller Haut voller Sommersprossen. Nein, Tommy war ganz einfach nur ein netter Junge. Dennoch nahm sie ohne jeden Grund Emmas Hand.
    »Mama, du tust mir weh.«
    »Was? O mein Gott, Em, tut mir Leid. Schau, da ist Ramsey. Lass uns mal hören, ob er auch gerne nach Bunratty fahren möchte.«
    Eine Stunde später verließen sie das Areal des Dromoland. Ein Picknickkorb mit Schinken- und Käsesandwiches stand neben Emma auf dem Rücksitz, denn Molly behauptete, dass man in Irland keine Sandwiches mit Mayonnaise oder Senf oder Tomaten oder Salatblättern

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