Vergebung
nicht.«
Er zog seine Socken aus, kam zu ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern. Lisbeth schloss die Augen, als er sich zu ihr herabbeugte und sie küsste. Er schmeckte gut. Sie ließ sich von ihm aufs Bett drücken. Er lag schwer auf ihr.
Der Anwalt Jeremy Stuart MacMillan spürte, wie sich seine Nackenhärchen aufstellten, als er die Tür zu seinem Büro in Buchanan House am Queensway Quay oberhalb der Mole öffnete. Er roch Tabakrauch und hörte einen Stuhl knarren. Es war kurz vor sieben Uhr morgens, und sein erster Gedanke war, dass er einen Einbrecher ertappt hatte.
Dann roch er den Kaffeeduft von der Maschine in der kleinen Büroküche. Nachdem er ein paar Sekunden abgewartet hatte, schritt er zögernd über die Schwelle, ging den Flur entlang und spähte in sein geräumiges, elegant eingerichtetes Arbeitszimmer. Lisbeth Salander saß auf seinem Bürostuhl mit dem Rücken zu ihm und den Füßen auf der Fensterbank. Sein Computer war an, und offensichtlich hatte sie auch keine Probleme mit seinem Passwort gehabt. Mit seinem Tresor ebenso wenig. Auf ihrem Schoß lag ein Ordner mit seiner höchst privaten Korrespondenz und Buchführung.
»Guten Morgen, Frau Salander«, sagte er schließlich.
»Mmm«, antwortete sie. »In der Küche sind Croissants und frischer Kaffee.«
»Danke«, sagte er und seufzte resigniert.
Zwar hatte er das Büro von ihrem Geld und auf ihre Anweisung hin gekauft, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass sie sich auf einmal ohne jede Vorwarnung hier materialisieren würde. Außerdem hatte sie einen Schwulenporno gefunden und offensichtlich gelesen, den er in einer Schreibtischschublade versteckt hatte.
So was von peinlich.
Oder vielleicht auch nicht.
Außer Lisbeth Salander kannte er niemanden, der härter über Menschen urteilte, die ihm in die Quere kamen, aber er hatte sie nicht einmal die Augenbrauen hochziehen sehen, wenn sie eine Schwäche an einem Menschen bemerkte. Sie wusste, dass er offiziell heterosexuell war, aber das dunkle Geheimnis hütete, dass er sich von Männern angezogen fühlte und diesbezüglich seit seiner Scheidung vor fünfzehn Jahren seine intimsten Fantasien verwirklicht hatte.
Schon komisch irgendwie. Bei ihr fühle ich mich sicher.
Da sie nun schon einmal auf Gibraltar war, hatte Lisbeth beschlossen, den Anwalt Jeremy MacMillan zu besuchen, der sich um ihre Finanzen kümmerte. Sie hatte seit einem halben Jahr keinen Kontakt mehr mit ihm gehabt und wollte wissen, ob er die Gelegenheit genutzt hatte, sie in ihrer Abwesenheit völlig zu ruinieren.
Aber das war nicht eilig, und es war auch nicht der Grund gewesen, warum sie direkt nach ihrer Freilassung nach Gibraltar gefahren war. Das hatte sie getan, weil sie ein starkes Bedürfnis verspürte, von allem wegzukommen, und für diesen Zweck eignete sich Gibraltar ganz hervorragend. Die erste Woche war sie fast durchgehend betrunken gewesen. Danach hatte sie noch ein paar Tage lang Sex mit dem deutschen Geschäftsmann gehabt, der sich schließlich als Dieter vorgestellt hatte. Sie bezweifelte, dass das sein richtiger Name war, stellte aber keine Nachforschungen an. Er saß tagsüber in seinen Meetings und aß dann mit ihr zu Abend, bevor sie sich in sein oder ihr Zimmer zurückzogen.
Er war gar nicht mal so schlecht im Bett, wie Lisbeth feststellte. Vielleicht ein wenig unerfahren und manchmal unnötig grob.
Dieter schien aufrichtig verblüfft, dass sie aus einem reinen Impuls heraus einen übergewichtigen deutschen Geschäftsmann aufgerissen hatte, der nicht einmal die Absicht gehabt hatte, sich eine Frau an Land zu ziehen. Er war verheiratet und normalerweise nicht untreu und suchte auch keine weibliche Gesellschaft auf seinen Geschäftsreisen. Doch als sich die Gelegenheit in Form eines zierlichen, tätowierten Mädchens auf dem Präsentierteller bot, hatte er der Versuchung einfach nicht widerstehen können. Behauptete er.
Lisbeth scherte sich nicht darum, was er sagte. Sie hatte nur Entspannungssex im Sinn, war aber überrascht, dass er sich tatsächlich Mühe gab, sie zu befriedigen. Erst in der vierten Nacht, ihrer letzten gemeinsamen Nacht, bekam er einen Panikanfall und machte sich plötzlich Gedanken, was seine Frau dazu sagen würde. Lisbeth fand, dass er einfach die Klappe halten und sie mit seinen Skrupeln verschonen sollte.
Aber das sprach sie nicht aus.
Er war ein erwachsener Mann und hätte ihr Angebot schließlich auch ablehnen können. Es war nicht ihr Problem, wenn ihn
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