Vergeltung
Bankrotterklärung gleich, dass diese Rebekka uns über unsere
Ermittlungsarbeit belehren muss.«
»Ich sehe das anders«, sagte Michael ruhig und trank einen Schluck.
»Ich finde es interessant, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der eine Spezialausbildung
hat. Sie weiß wirklich, wie man Verhöre führt …«
»Viel Erfahrung kann sie nicht haben …«, unterbrach ihn David und
zerriss den Bierdeckel in winzige Stücke, »es wäre doch interessanter gewesen,
wenn sie uns einen der mit allen Wassern gewaschenen alten Hasen geschickt
hätten.«
»Ich denke, mit so einem Typen, der alles besser weiß, hätten wir
noch mehr Schwierigkeiten, nein, da ist es schon interessanter, mit Rebekka
zusammenzuarbeiten.«
Der betrunkene Gast an der Jukebox war in sich zusammengesackt, und
Leo beförderte ihn im Handumdrehen ins Freie.
»Natürlich findest du sie gut, sie ist schließlich eine schöne Frau,
und schöne Frauen sind nun mal dein Ding«, erwiderte der Kollege und grinste
ihn vielsagend an.
»Hör auf«, lachte Michael und schlug dem Freund sachte auf die
Schulter. »Das ist es doch nicht. Ich bin einfach der Meinung, dass sie etwas
Interessantes beizutragen hat. Sie hat einiges über diese Verhörtechnik
erzählt, das kognitive Verhörprinzip, das ist wirklich faszinierend.«
»Wenn du meinst«, sagte David und hob sein Bierglas hoch. »Ich werde
mich künftig anständig benehmen, aber du kannst es mir nicht verwehren, dass
ich mich darauf freue, wenn sie endlich verschwindet und alles wieder so wird,
wie es war.«
»Abgemacht«, sagte Michael und prostete ihm zu.
DONNERSTAG, 30. AUGUST
Es war offensichtlich,
dass es Gert Gudbergsen langsam besser ging, und Rebekka verspürte Erleichterung.
Er saß aufrecht im Bett, gut gestützt von einem Stapel Kissen. Sein Nachthemd
stand vorn offen, und mehrere Elektroden baumelten auf seiner mageren weißen
Brust. Er aß gerade zu Mittag, als sie kamen. Sanna Gudbergsen saß auf einem
Schemel neben dem Krankenbett. Sie hatte in den wenigen Tagen seit ihrer letzten
Begegnung stark abgebaut und war nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Sie blickte Rebekka und Michael mit
leeren Augen wie Fremde an, als sie ins Zimmer traten.
»Wir wollten nur mal nach dem Patienten sehen.« Michael klopfte
gutmütig auf die Bettkante, und Gert Gudbergsen nickte brüsk, bevor er sich
wieder auf sein Essen konzentrierte.
»Wie geht es Ihnen?« Rebekka trat näher.
»Wie es einem so geht, wenn die eigene Tochter ermordet wurde und
man selbst ein Blutgerinnsel hatte«, antwortete Gert Gudbergsen, und seine
Stimme zitterte vor Wut. Rebekka schwieg und wagte keine weiteren Fragen zu
stellen, aus Angst, einen weiteren Herzanfall zu provozieren. In dem Moment kam
eine Krankenschwester mit einer Plastikkanne mit Eiswasser ins Zimmer.
»Der Patient braucht immer noch Ruhe«, sagte sie bestimmt und sah
Rebekka und Michael ernst an.
»Wir bleiben auch nur kurz«, antwortete Rebekka, und die
Krankenschwester nickte und verschwand wieder.
»Ich habe schließlich ein Blutgerinnsel im Herzen gehabt. Ein
kleines glücklicherweise, aber nichtsdestotrotz.« Gert Gudbergsen blickte sie
finster an.
»Damit ist sicher nicht zu spaßen. Sie stehen unter einem gewaltigen
Druck. Sie beide«, antwortete Rebekka ruhig. Gert Gudbergsen nickte schweigend.
Seine Frau hatte noch immer kein Wort gesagt. Jetzt stand sie plötzlich mit
einer abrupten Bewegung auf und öffnete die Tür zu einem kleinen Schrank.
»Mein Gott, Gusse, wie schmutzig deine Sachen sind«, rief sie und
holte einen Mantel aus dem Schrank, den sie hektisch abzuklopfen begann. Die
anderen beobachteten sie stumm, während Sanna Gudbergsen imaginäre Staubkörner
aus dem Stoff entfernte. Eine Brieftasche aus schwarzem Leder glitt aus der
Manteltasche und landete auf dem grauen Linoleum. Münzen und Visitenkarten
verteilten sich über den Boden.
»Sanna, verdammt. Was wirfst du meine Brieftasche durch die Gegend«,
zischte Gert Gudbergsen und verdrehte die Augen. Seine Frau starrte verloren
auf den Boden, machte jedoch keine Anstalten, sich zu bücken und die Sachen
aufzuheben.
»Lassen Sie mich das machen.« Rebekka ging in die Hocke, sammelte
die Münzen auf und steckte sie zusammen mit einer MasterCard sowie einer Tank-
und Bankkarte zurück in die Brieftasche. Eine graue Karte war weit unter dem
Bett gelandet, und Rebekka kam nur auf allen vieren an sie heran. Es war ein
Blutspenderausweis. Über ihr diskutierten Michael und Gert Gudbergsen
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