Vergeltung
wir
hätten nicht bezahlt.«
Sie zögerte.
»Und wo ist diese Quittung?«
»Keine Ahnung. Vermutlich im Safe im Arbeitszimmer. Gert kennt als
Einziger den Code.«
»Ich würde sie gerne sehen.« Rebekka ging zum Sofa zurück und sah
sie ernst an.
»Ich werde sie Ihnen besorgen. Aber ich muss erst Gert nach dem Code
fragen.« Sanna Gudbergsen zog die Decke bis hoch zum Kinn. »Ich verstehe nur
nicht, was das mit dem Mord an meiner Tochter zu tun hat«, murmelte sie und sah
Rebekka mit einem leeren Blick an.
Rebekka antwortete nicht. Sie hatte keine Antwort darauf.
—
Erik machte in seinem
Zimmer sauber. Er war allein in dem großen Haus, seine Mutter und Kenneth waren
zu einem Gebetstreffen gegangen. Er hatte sich entschuldigt und gesagt, er
müsse Hausaufgaben machen, wieder einmal, und die Mutter hatte ihn lange
vorwurfsvoll angesehen. Unwillkürlich hatte er sich geduckt.
Nun genoss er das Gefühl, das ganze
Haus für sich zu haben. Wenn die anderen nicht da waren, schien Platz für ihn,
für Erik, zu sein. Er drehte die Musikanlage auf, und Metallica dröhnte aus den
Lautsprechern. Er grölte mit, während er sich durch die Stapel aus Kleidern, Büchern
und Zeichenserien wühlte, die überall auf dem Boden verstreut lagen. Machte das
Bett, wischte Tisch und Fensterbank mit einem nassen Tuch ab und sammelte den
Müll in einer Plastiktüte.
Er war nahezu fertig, als er die Ginflasche hinter der Heizung fand.
Er hatte sie fast vergessen. Es war ein gutes Versteck, und er lächelte
unwillkürlich bei dem Gedanken, was seine Eltern sagen würden, wenn sie
wüssten, dass er die Flasche ganz allein leer getrunken hatte. Es war noch ein
wenig Gin übrig, und er schraubte den Verschluss ab und leerte sie. Der Alkohol
brannte in den Augen, und er musste husten. Dann stopfte er die leere Flasche
in die Mülltüte und sah sich um. Das Zimmer war wieder ordentlich. Jetzt musste
er nur noch den Müll hinausbringen.
Draußen schien grell die Sonne, als er den Deckel des Abfalleimers
aufmachte. Er war fast voll, und der Geruch nach Fäulnis verursachte ihm
Übelkeit. Er wusste, dass der Müll freitags geleert wurde, er musste die Tüte
also unter den anderen Mülltüten verstecken, damit sie nicht entdeckt wurde. Er
hob zwei Mülltüten hoch und wollte seine gerade darunterschieben, als er etwas
Beigefarbenes, Zusammengeknülltes sah. Er stellte die Tüten ab und zog das
beige Teil heraus. Es war der alte Trenchcoat seines Vaters. Ein echter
Burberry. Der Vater hatte den schönen Mantel vor vielen Jahren von dem
Großvater bekommen. Er war inzwischen ziemlich abgetragen, und sein Vater hatte
sich vor einigen Jahren einen neuen gekauft. Trotzdem hatte er es nicht über
das Herz gebracht, den alten fortzuwerfen, und Kristian lieh ihn sich hin und
wieder aus, wenn er ausgehen wollte. Erik lächelte vor sich hin, während er den
Mantel ausschüttelte. Das war typisch Kristian. Eitel und mit der Mode gehend.
Erik hielt den Trenchcoat hoch. Gut, dass er ihn gefunden hatte, er musste
versehentlich im Müll gelandet sein.
Er wollte den Mantel gerade zur Seite legen, als er das Blut sah.
Die Vorderseite des Mantels war mit großen rötlichen Flecken bedeckt, die bis
ins Futter eingedrungen waren und das charakteristische Karomuster rostrot
gefärbt hatten. Erik erstarrte und hielt den Atem an. Er wusste instinktiv,
dass das Blut war. Wessen Blut? Er wagte den Gedanken
nicht zu Ende zu denken und sah sich eilig um. Niemand war in der Nähe. Schnell
stopfte er den Mantel wieder tief unten in den Müll und deckte ihn ebenso
hastig mit seiner und den übrigen Mülltüten zu. Den Deckel ließ er mit einem
lauten Knall zufallen. Dann lief er ins Haus und ins Badezimmer. Er drehte das
Wasser auf, griff nach der Seife und wusch sich mit raschen Bewegungen die
Hände. Im Spiegel über dem Waschbecken sah er sein Gesicht und erkannte sich
fast selbst nicht wieder. Erschrocken schlug er den Blick nieder, nahm die
Nagelbürste und schrubbte sich die Fingerknöchel. Es tat weh, aber er musste
das tun. Er musste alles abwaschen.
—
Sie saßen in der
Nachmittagssonne auf der Mole. Eine milde Brise zerzauste ihre Haare, und die
Möwen flatterten laut schreiend um sie herum, begierig, einen Bissen von ihren
Hotdogs zu ergattern.
»Sie haben Ketchup an der Nase.«
Rebekka nahm die Serviette und wischte Michael vorsichtig die Nase ab. Er lächelte
sie an, und sie spürte ein Kribbeln im Bauch.
»Rebekka, wollen wir nicht einmal zusammen
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