Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergeltung am Degerloch

Vergeltung am Degerloch

Titel: Vergeltung am Degerloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
sehr gut behandeln«, sagte Beltz streng. »Gabi wird nicht in der Psychiatrie bleiben.«
    Im Vorzimmer jaulte das Telefon. Beltz nahm den Hörer ihrer Anlage ab, drückte einen Knopf und meldete sich. Sie wiederholte ihren Namen und drückte konfus auf den Knöpfen herum. Draußen klingelte es weiter. Beltz seufzte, entschuldigte sich und eilte hinaus.
    Ich ging um den Tisch herum und sah mir die Akte an. Als Kulturredakteurin hatte ich gelernt, Texte mit geteilter Aufmerksamkeit zu überfliegen. Beltz hatte den gerichtsmedizinischen Bericht bei der Akteneinsicht stichwortartig abgeschrieben: »Traumatische intrakranielle Blutungen, epidurales Hämatom infolge einer Schädelfraktur im hinteren Scheitelbereich. Deutlich abgegrenzte Blutung in der mittleren Schädelgrube infolge von Gewalteinwirkung durch einen stumpfen Gegenstand über dem rechten Ohr. Gegenstoßherd auf der linken Schädelseite. Kleinere Prellungen und Hautabschürfungen an der Stirn und unterhalb der Hutkrempenlinie. Kein Alkohol im Blut.«
    Ich hörte, wie Beltz draußen das Gespräch beendete, und huschte auf meinen Platz vor dem Schreibtisch zurück. Ich mimte erschrecktes Erwachen aus einer versonnenen Grübelei, um meinen beschleunigten Atem zu kaschieren. Die Anwältin deutete mit keiner Miene an, dass sie genau wusste, dass ich in ihren Unterlagen geblättert hatte.
     

18
     
    Gabi hatte also zweimal zugeschlagen. Einmal von hinten gegen die rechte Schädelseite Uwes und einmal von oben auf den Scheitel. Bei schweren Schädelverletzungen stirbt man erst nach einigen Stunden. Uwe musste nach den Schlägen nicht bewegungsunfähig oder gar ohnmächtig gewesen sein. Vom letzten Fall eines vermeintlich Betrunkenen, der in der Ausnüchterungszelle der Landespolizeidirektion in der Hahnemannstraße auf dem Pragsattel gestorben war, wusste ich, dass sogar Ärzte manchmal die ersten Symptome eines Schä delhirntraumas mit Betrunkenheit verwechselten. Nach einigen Stunden ging es dann los mit Kopfschmerz, Unruhe, Erbrechen, Pulsverlangsamung, Benommenheit und Bewusstlosigkeit. Aber Uwe war gestürzt – ob vor den Schlägen oder da nach, schien offenbar nicht mehr feststellbar gewesen zu sein – und dann liegen geblieben und gestorben.
    Ich fuhr ins Sarah . Zilla war nicht da. Petra werkelte in der Bar und schaute mich scheel an. Ich bestellte einen Milchshake. Die Rothaarige war diesmal nicht da. Ich rührte in der Milch und fragte mich, ob ich womöglich mit schuld war an Gabis Kurzschlusshandlung. Ich hatte das Mädchen ziemlich rüde abgewiesen. Konnte ich beurteilen, in welchen Zorn, welche Verzweiflung oder Bitterkeit sie dadurch geraten war? Wusste ich, was für Assoziationen an Männergewalt meine Narbe bei ihr ausgelöst hatte? Als Gabi am U-Bahn-Einstieg dann mit Uwe zusammengetroffen war, hatte sie sich auf einmal angegriffen gefühlt, einen Stein ergriffen und zugehauen. Aber von hinten, vorausgesetzt, sie war Rechtshänderin. Angenommen, Uwe stürzte erst dann aufs Gesicht, dann hatte sie noch einmal zugehämmert. Das erklärte, warum sie sich als Mörderin bezeichnete, obgleich sie sich in einer Notwehrsituation erlebt hatte. Sie hatte letztlich einen Wehrlosen getötet.
    Warum war Uwe zum Feuersee gelaufen? Er hätte nach dem Kino schon am Bahnhof in die S-Bahn Richtung Vaihingen und Böblingen steigen können. Dass er aber zwei Kilometer gelaufen war, sah wirklich nach Verabredung aus. Nur, wer bestätigte mir, dass Uwe und Gabi Freunde gewesen waren? Martha hatte diesen Uwe nie gesehen.
    Ich bat Petra um das Telefon. Sie beobachtete mich aus den Augenwinkeln, während ich Hedes Telefonnummer tipp te. Ich stellte mich auf einen Anrufbeantworter ein, denn Hede hatte vermutlich Kundschaft. Aber sie war es selbst.
    »Ja?«
    Sofort wurde mir klar, dass Gabi eine sich andeutende oder bereits vollzogene zarte Verbindung zu einem jungen Mann Hede auf jeden Fall verschwiegen hätte. Hede war in ihrer emotionalen Macht und ideologischen Autorität schlimmer als jede Mutter. Gabi hätte nie die Kraft gehabt, eine Hetero-Beziehung zu rechtfertigen. Es sei denn, sie stellte die Freundschaft mit Uwe als Kumpelei dar.
    »Wann ist Gabi Sonntagnacht eigentlich heimgekommen?«
    »Meine Liebe«, sagte Hede, »woher soll ich das wissen?«
    Wenn ich wissen wollte, ob Hede log, musste ich ihr ins Gesicht sehen. Telefonisch ging das nicht. »Ich muss mir Gabis Zimmer anschauen«, sagte ich.
    »Gleich?« Hede gluckste. »Aber bitte. Komm nur.« Ich ließ

Weitere Kostenlose Bücher