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Vergeltung am Degerloch

Vergeltung am Degerloch

Titel: Vergeltung am Degerloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Kakao«, sagte sie unter Restschluchzen.
    »Was tun Sie da nur immer rein, dass die so verteufelt gut schmecken?«, fragte ich und griff nach einer Bärentatze.
    »An die Zimtsterne tue ich immer ein bisschen Muskatnuss. Und ich nehme echte Bourbonvanille. Und bei den Makronen ein bisschen Safran und Bittermandel natürlich. Und in die Bärentatzen muss etwas Kaffeepulver. So hat jedes sein Geheimnis. Gabi konnte übrigens gut kochen. Sie hatte das Gefühl dafür.« Die Tränen tropften wieder.
    Frauen morden besser. Gabi hatte es gewusst. Frauen waren seit jeher Alchimistinnen. Mit der Chemie der Nahrungsmittel machten sie sich die Männer Untertan. Bittermandeln, Safran, Muskatnuss, Koffein, alles Drogen und in höherer Dosierung Gifte. Hatte Martha irgendwann die Grenze überschritten? Ein bisschen Arsen im Zucker. Ein paar Barbiturate im Kaffee. Ich an ihrer Stelle hätte allerdings zuerst den Gatten umgebracht. Aber er kränkelte ja auch schon seit Jahren. Vielleicht war es bald so weit, dass sie ihn begraben konnte.
    Es war am besten, wenn er an einem Sonntag verendete. Am Rande registrierte ich, wie Martha sich verabschiedete. Kränkelnde Anverwandte beförderte man am besten sonntags ins Jenseits, wenn der Hausarzt nicht greifbar war und ein Notarzt auf dem Schein sein Kreuzchen bei »natürlicher Tod« machte, nachdem er den Blick über die Batterie von Herz- und Schmerzmitteln auf dem Nachttisch hatte schweifen lassen.
    Man musste Marthas Weihnachtsgebäck chemisch untersuchen lassen. Wer machte mir das?
    Herzkranke brachte man überhaupt am besten mit Herzmitteln um. War auf der Pressekonferenz zu Louises Tod nicht von Angina pectoris die Rede gewesen? In ihrem Schreibtisch war ich doch auch auf die Nitrolingualkapseln gestoßen. Nitroglycerin war nicht nur ein leicht explodierendes Sprengöl, sondern auch eine giftige, farblose und geruchlose Flüssigkeit, die man wegen der erweiternden Wirkung auf verkalkte Herzkranzgefäße bei schmerzhaftem Sauerstoffmangel des Herzens einsetzte. Dann allerdings in einer Variante, die nicht explodierte. Ein bisschen zu viel, und die heilende Wirkung kippte ins Gegenteil um, der Kreislauf des Patienten spielte verrückt und kollabierte.
    Ich musste hier raus. Gelbe Vorhänge, ockerfarbene Wän de mit Nolde-Aquarellen, Infusionsflaschen, Weißwäsche und Nasszellen knackten mein seelisches Gerüst an den Sollbruchstellen, die da hießen: Angst, Hass und Misstrauen. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich zu viel Zeit zum Nachdenken hatte.
    Meine Nobelkrankenversicherung hatte mir selbstverständlich ein Einzelzimmer im Katharinenhospital beschert. So hielt mich niemand auf, als ich mich anzog, Marthas Plätzchen in eine Serviette einschlug, sie in meine Jackentasche stopfte und mich davonstahl.
    Auf der Freitreppe zur Kriegsbergstraße kam mir Krk entgegen. Er war soeben einem Taxi entstiegen, das sich hinten an der Schlange anstellte. Die Luft war so kalt, dass es mir den Atem verschlug. Die beiden Universitätshochhäuser im grauen Himmel schaukelten etwas.
    Krk packte mich am Ellbogen und sagte: »Du siehst aus wie ausgerissen.«
    »Wenn du mich ins Krankenhaus zurückschleifst, werde ich dir und der Welt entsagen«, drohte ich.
    Krk lächelte versonnen. »Auf deine Verantwortung.«
    »Es wird dir auch nicht gelingen, Verantwortung für mich zu übernehmen, auch wenn es das Einzige ist, womit Männer selten geizen.«
    Krk hüstelte. Was nun? Ich musterte die Taxis und dachte an die Zukunft. Krk hüstelte noch mal. »Übrigens: Susanne Schäufele hat Uwe identifiziert. Er war es tatsächlich, der sie in Rohr angegriffen hat. Und noch was: Die Vermisste aus Botnang ist aufgetaucht. Du erinnerst dich: Vor zwei Jahren hörten Anwohner Geschrei. Opfer und Täter wurden nie gefunden. Jetzt hat sie sich gemeldet. Sie hat in der Samstagsausgabe das Foto von Uwe wiedererkannt. Sie hat der Polizei erzählt, Uwe habe sie mit einem Messer bedroht. Du hattest also immer Recht.«
    »Du auch, denn Uwe war offensichtlich ein Stümper. Leider nützt es Gabi nun nichts mehr.«
    Krk blickte die Krankenhausfassade hinauf. »Leider. Und leider werden wir nie wissen, ob die Leiche in Herrenberg auf Uwes Konto geht. Und solange wir die Leiche von Magdalena aus Böblingen nicht finden … Übrigens hat Gabi ihre anfängliche Selbstbeschuldigung widerrufen. Deshalb hat man sie laufen lassen. Ich hatte gestern ein Gespräch mit der ermittelnden Staatsanwältin Meisner. Eine nette und sehr

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