Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Kalibers nicht nur wegen ihres Könnens, sondern auch wegen ihres Wissensund ihrer Intelligenz. Diese Männer sind erfahrene Spezialisten in der Anwendung von Gewalt, das beinhaltet nicht nur reine Brutalität, sondern vor allem auch fein abgestimmte gewaltsame Methoden zur Lösung spezifischer Probleme. Ihre Talente wären verschwendet, würde man ihnen Befehle erteilen und erwarten, dass sie diese wie Roboter ausführen.
Wie Donovan immer sagt: »Ich will nicht das einzige Wort haben, nur das letzte.«
Diesmal fehlt ihnen die Trumpfkarte, an die sie sonst so gewöhnt sind – Luftmacht.
Normalerweise würde man aus der Luft angreifen, und das Problem wäre gelöst – mit schweren Bomben und Raketen würde man Flugabwehr und Bepanzerung zerstören, anschließend die Infanterie mit Kampfhubschraubern vernichten. Dann würden die besten Männer in den Bunker eindringen und die Sache zu Ende bringen.
Diesmal müssen sie ohne Unterstützung aus der Luft auskommen, aber sie verlieren keine Zeit mit Jammern. Stattdessen gehen sie in Gedanken die Liste an Ressourcen durch, die sie in das Gefecht einbringen können, und berechnen deren maximalen Nutzen.
»Mit wie vielen Tangos haben wir’s zu tun?«, fragt Michel.
»Mindestens hundert«, erwidert Dave. »Vielleicht sogar hundertfünfzig.«
»Ausbildungsstatus?«
»Schätzungsweise dreißig bis fünfzig erfahrene Mudschahedin«, sagt Dave. »Irak, Afghanistan, Tschetschenien, Somalia. Die anderen sind vor Ort rekrutierte muslimische Karos.«
»Motivation?«
»Hoch«, sagt Dave. »Aziz’ Männer sind ihm treu ergeben,und die einheimischen Karos betrachten ihn als Yusufs Erben. Sie werden kämpfen.«
Die Männer widmen sich weiter der Problemlösung, schreiben Listen mit möglicherweise geeigneten Waffen, berechnen deren Feuerkraft, wägen Taktiken ab. Fast zwei Stunden lang ist es still im Raum, dann reißt Donovan sie aus ihren Gedanken.
Es folgen drei Stunden Brainstorming – Debattieren, Diskutieren, argumentieren; teilweise äußerst erhitzt.
Donovan stört das nicht. Er hat immer gewusst, dass die Schwierigkeit in der Führung eines All-Star-Teams darin besteht, dass jeder ein Star ist. Jeder glaubt, ihm steht der Ballbesitz zu. Pfercht man Männer mit Riesenegos in einem Raum zusammen, sind Streitereien vorprogrammiert. Das ist in Ordnung.
Donovans Aufgabe besteht darin, die Auseinandersetzungen zu schlichten und zu beenden. Anschließend sind die Männer wieder diszipliniert genug, um im Team zu arbeiten. Und so lässt er sie machen, weil er weiß, dass ein Streit auf dem »Schlachtfeld der Ideen« auf dem realen Schlachtfeld Blutvergießen verhindern kann.
Nur eine einzige Sache steht nicht zur Debatte.
»Ich werde den tödlichen Schuss auf Aziz abfeuern«, sagt Dave.
Niemand widerspricht.
Dave hat es sich verdient.
Phase vier: Exfil.
Exfiltration und Infiltration sind verwandte Themen.
Die Infiltration ins Zielgebiet scheint relativ übersichtlich – ein Sprung aus großer Höhe aus einem Flugzeug, in diesem Fall einer C-130.
Die Lockheed Hercules ist so was wie der Ackergaul heutiger Special-Ops. Sie startet und landet auf den holprigsten »Pisten« und kann bis zu sechzehn Tonnen Fracht aufnehmen. Das klingt viel, kommt aber schnell zusammen – Waffen, Sprengstoff, Munition, Helme und Westen. Das Team wird mehr Feuerkraft brauchen als auf Lamu, und das bedeutet schwerere Geschütze und Waffen.
Aber eine C-130 hat selbst bei relativ geringer Zuladung eine maximale Reichweite von lediglich 2500 Kilometern. Das bedeutet, sie brauchen einen Auffangraum in einem Umkreis von 1250 Kilometern Entfernung zum Zielort. Wobei zwei Auffangräume besser wären – einer für den Start, einer als Sammelpunkt nach Beendigung der Mission.
Sie brauchen also ein Flugfeld, von dem aus sie starten können – ohne von den einheimischen Behörden entdeckt zu werden, die angesichts eines mit schwer bewaffneten Männern vollbesetzten Transportflugzeugs durchaus irritiert reagieren könnten.
Das malaysische Festland ist die Sumatra am nächsten gelegene Landmasse. Aber die malaysische Polizei ist bekanntermaßen paranoid und gründlich, besonders in Bezug auf den eigenen Luftraum, das wäre also eine schlechte Wahl.
Das Team sucht weiter nördlich im südlichen Thailand und findet einen schmalen Küstenstreifen nicht weit entfernt vom Urlauberparadies Phuket am indischen Ozean.
»Phuket ist viel zu gut besucht«, sagt Ulrich.
»Was ist mit Satun?«, fragt
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