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Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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entdeckt?«
    »Nein«, sagt Dave zuversichtlicher, als er sich fühlt. Auf der Plaza tummeln sich mehr schwarze Gesichter als weiße, und Michel trägt einen marokkanischen dschellaba, das heißt, er geht perfekt in der Masse unter. Außerdem macht er seine Sache sehr gut. Aber gut sind Aziz’ Leute auch.
    Dann sagt Alessandro: »Ich habe einen potentiellen Tango.«
    Auf dem Video ist jetzt ein junger Mann zu sehen, der am Rande des Suk aus einem Internet-Café tritt. Er trägt eine grüne Sportjacke, Jeans und Turnschuhe von Nike und schlängelt sich durch die Menge Zuffeir entgegen.
    »Ist er das?«, fragt Donovan.
    »Ein Weißer«, sagt Dave.
    »Was?«
    »Sieh ihn dir an«, sagt Dave. Der Junge hat dunkelblondes Haar, Dreadlocks und blaue Augen. Er ist hellhäutig, fast bleich.
    »Könnte Tschetschene oder Usbeke sein«, sagt Donovan.
    »Das ist ein Amerikaner«, sagt Dave.
    »Woher willst du das wissen?«
    »Keine Ahnung, ich weiß es einfach.«
    Amerikaner laufen anders – unmöglich zu beschreiben,aber ihr Gang ist unverwechselbar. Wer auch immer das ist, er nähert sich Zuffeir, und jetzt sieht Dave, dass Zuffeir ihn erkennt, die Augen aufreißt und erleichtert grinst.
    »Alle Mann, Achtung«, befiehlt Donovan. »Wir haben Tango eins.«
    Willem hat keine Videokamera.
    Er hat ein PGM 338 Lapua Magnum mit Military MK II Zielfernrohr von Schmidt & Bender. Das PGM 338 hält den Rekord über die größte Reichweite – genau genommen sogar zwei Rekorde –, zwei Maschinengewehrschützen der Taliban wurden damit in der Provinz Helmand auf eine Entfernung von 2474 Metern erschossen.
    Auch an dem Tag, an dem er nicht schießen durfte, hatte Willem durch ein Schmidt & Bender-Zielfernrohr geschaut und zusehen müssen, wie die Taliban den Polizeiposten in Sarab stürmten. Er lag auf einer felsigen Anhöhe, weniger als 1500 Meter entfernt, und hätte problemlos getroffen. Aber er bekam nicht die Erlaubnis dazu, weil der Kommandant der Holländer gerade seine Männer ohne Unterstützung aus der Luft von dem Kontrollpunkt in Kala Kala abzog und fürchtete, einen Angriff zu riskieren, wenn Willem das Feuer eröffnete.
    Deshalb musste er zusehen, wie die Taliban der Frau des Polizeichefs die Hände abhackten und anschließend ihren Mann enthaupteten.
    Willem tat nichts.
    Er gehorchte, drückte nicht ab und bereute es.
    Er bereute es, als endlich Unterstützung aus der Luft eintraf, sie zurückschießen durften und Dutzende von Taliban töteten – darunter hoffentlich auch den Mann, der das Schwert geführt hatte.
    Er bereute es, als er sich aus dem Dienst verabschiedete.
    Und er träumt noch immer davon – sieht das Gesicht der Frau vor sich, in dem Moment, in dem ihr die Klinge die Handgelenke durchtrennt. Sieht ihren Schmerz.
    Jetzt ist er hier und hat die Chance abzudrücken.
    Er nimmt Tango eins ins Visier.
    »Alpha, können wir Ton bekommen?«, fragt Donovan.
    »Ich bin dabei«, erwidert Alessandro. Er richtet den LVC-1 Laser-Voice-Communicator auf Zuffeir, doch auf dem lauten Suk gibt es zu viele Nebengeräusche, so dass das Gespräch wahrscheinlich kaum zu verstehen sein wird.
    Natürlich haben sich Aziz’ Leute genau deshalb für diesen Treffpunkt entschieden, denkt Dave.
    »Bravo, hast du Tango eins?«
    »Ich sehe ihn«, sagt Michel. »Zielperson kommt näher.«
    Dave sieht Tango eins auf Zuffeir zugehen. Der junge Mann legt einen Arm um den Imam und küsst ihn auf die Wange.
    Der Ton ist verrauscht, aber Amir kann gerade so verstehen, was gesprochen wird, und übersetzt.
    » Al salam alykoum .«
    » Ue alykoum al salam .«
    » Die sind hinter dir her .«
    » Wer? «
    » Die Amerikaner. Sie wissen, dass ich die Waffe für dich aufbewahrt habe. Ihr müsst mich verstecken. «
    » Mach dir keine Sorgen, Bruder. «
    Tango eins führt Zuffeir vom Suk.
    Dann taumelt der Imam, fasst sich an die Seite, Blut quillt zwischen seinen Fingern hindurch. Tango eins lässt das Messer fallen und bahnt sich gewandt einen Weg durch die Menge.
    Verfluchte Scheiße, denkt Dave.
    »Ich hab Tango eins im Visier«, sagt Willem. Er zielt auf den Hinterkopf.
    »Augenblick«, sagt Dave.
    Tango eins könnte sie zum zweiten Schützen führen.
    Michel schlängelt sich durchs Gedränge, bleibt dicht hinter Tango eins.
    »Ich kann ihn gezielt ausschalten«, sagt er in sein Mikro. Er trägt ein Fairbairn-Sykes-Kampfmesser am Fußgelenk.
    Er kann ihn töten, ohne Zivilopfer zu riskieren.
    »Bleib an ihm dran«, befiehlt Dave.
    »Wenn wir ihn

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