Vergeltung
»Ich bekomme schon Kopfschmerzen, wenn ich nur versuche, das nachzuvollziehen.«
Stacey zuckte mit den Schultern. »Na ja, wir wissen, dass Vance sein ganzes Geld ins Ausland geschafft hat, nachdem er verhaftet worden war. Und wir wissen, dass es viel war. Ein Haus wie dieses wäre die perfekte Operationsbasis. Selbst wenn er dort letztendlich nur ein paar Wochen verbringt, wäre es doch immerhin ein Schlupfloch, über das er die totale Kontrolle hätte. Außerdem ist es ein Vermögenswert, den er wieder loswerden kann, wenn er ihn nicht mehr braucht.«
»Oh, ich glaube Ihnen«, versicherte Ambrose. »Ich bekomme es nur nicht in meinen Kopf, dass jemand so einen Aufwand betreibt, nur um Rache zu üben.«
Stacey wandte sich ihm zu und lächelte ihn nachsichtig an. »Das ist wahrscheinlich eine ziemlich gesunde Einstellung, Chef.«
»Ich muss sofort dahin«, stellte er fest.
»Sollten wir nicht die Kollegen vor Ort informieren, damit sie das Anwesen mal vorsichtig unter die Lupe nehmen? Sie brauchen bestimmt zwei Stunden, bis Sie dort sind, selbst mit Blaulicht und Sirene.«
Ambrose schüttelte den Kopf. »Das ist unsere Ermittlung. Und nach dem, was mir Ihre Chefin erzählt hat, traue ich Franklin zu, dass er in Rambo-Manier dort reinplatzt, nur um die Lorbeeren zu kassieren. Hier muss feinfühlig vorgegangen werden, und ich denke, wir haben uns das Recht verdient, diese Sache zu übernehmen. Ich werde dort mit einem handverlesenen Team hinfahren. Sobald wir wissen, womit wir es da zu tun haben, holen wir uns lokale Unterstützung.« Er klopfte ihr auf die Schulter. »Sie haben großartige Arbeit geleistet. Ich werde dafür sorgen, dass mein Boss weiß, wem wir diesen Durchbruch zu verdanken haben. Aber bitte reden Sie nicht mit Franklin darüber oder mit einem anderen Kollegen in West Yorkshire.«
Paula hoffte inständig, dass so spät an einem Samstag noch jemand bei der Sitte Dienst haben würde. Die meisten dort würden wohl das tun, was Cops an einem dienstfreien Samstagabend so machten. Wer Dienst hatte, war in der umtriebigsten Nacht der Woche für das Sexgewerbe wahrscheinlich draußen auf der Straße. Aber sie hatte Glück. Zugegebenermaßen klang der Beamte, der ans Telefon ging, völlig entnervt. »DC Bryant. Was wollen Sie?«
Paula sagte ihren Namen und nannte ihre Abteilung. »Ich brauche einige Informationen«, schloss sie.
»Paula McIntyre? Sind Sie die, die damals bei dieser schiefgelaufenen Undercoversache in der Klemme saß?« Sein Ton war anklagend, ganz so, als wäre es ihre Schuld, dass die Fehler seiner Kollegen sie fast das Leben gekostet hatten. Allein der Gedanke daran trieb ihr den Schweiß auf die Stirn.
»Und ein Beamter Ihrer Abteilung hat den ganzen Mist verursacht, aber das werfe ich Ihnen auch nicht vor«, blaffte sie zurück.
»Sie müssen nicht gleich so aggressiv werden«, brummte er. »Was wollen Sie also wissen?«
»Speichert irgendjemand bei Ihnen Informationen über die Mädchen auf der Straße?«, fragte sie.
»Welche Art von Informationen?«
»Namen. Hintergründe, solche Sachen. Wie lange sie schon dabei sind. Oder wenigstens, wie lange Sie schon über sie Bescheid wissen?«
Er schnaufte laut. »Wir sind keine verdammten Sozialarbeiter, wissen Sie?«
»Glauben Sie mir, das hätte ich auch nicht vermutet. Haben Sie nun irgendwelche Informationen oder nicht?«
»Der Sergeant hat da eine Akte. Aber heute Abend hat sie frei.« Er klang ziemlich endgültig.
»Können Sie sie erreichen? Es ist wirklich wichtig.«
»Das ist es doch immer bei euch vom Sondereinsatzteam.«
»Wir haben bereits vier Mordopfer, DC Bryant. Ich habe wirklich keine Lust, jetzt extra noch mit meiner Chefin über Ihre fragwürdige Arbeitsauffassung zu diskutieren, aber wenn Sie mich dazu zwingen, dann werde ich tun, was nötig ist, um hier ein bisschen Action in die Bude zu bringen. Wollen Sie also jetzt Ihren Sergeant anrufen, oder soll ich meine Chefin bitten, es zu tun?«
»Sie sollten eine Beruhigungstablette nehmen, Kollegin«, antwortete er. Sie konnte hören, dass er sich anstrengte, nicht loszulachen. »Ich rufe sie an. Aber versprechen Sie sich nicht zu viel davon.« Er legte den Hörer auf.
»Arschloch«, fluchte Paula. Sie fragte sich, ob man die Sitte nicht irgendwie umgehen könne, doch fiel ihr keine Möglichkeit ein. Nicht an einem Samstagabend, wenn ihre wichtigsten Kontakte innerhalb der Polizei sich ein Curry bestellt hatten und es sich gerade vor dem Fernseher bequem
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