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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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ich erzähle besser DCI Jordan davon und lasse sie den Anruf machen.«
    »Nur möchte sie Franklin auch nicht anrufen, hab ich recht?«
    »Genau. Sie ist jetzt auf dem Weg dorthin. Ich weiß nicht, von wo aus sie losgefahren ist, aber es ist gut möglich, dass sie vor den Kollegen aus West Mercia vor Ort ist. Und ich fürchte, dass sie sich mit dieser Aktion übernimmt. Er ist ein sehr gefährlicher Mann, Dr. Hill.«
    »Da haben Sie nicht unrecht, Stacey.« Noch während er sprach, griff er sich seinen Mantel und suchte in den Taschen nach dem Autoschlüssel. Er schlüpfte in einen Ärmel und hielt das Telefon nun ans andere Ohr. »Es war richtig, mich anzurufen. Ich kümmere mich darum.«
    »Danke.« Stacey gab ein seltsames Geräusch von sich, als wollte sie noch etwas sagen, überlegte es sich aber im letzten Moment anders. Dann sagte sie hastig: »Kümmern Sie sich um sie«, und beendete das Gespräch.
    Als er nun vollends in den Mantel schlüpfte, die Treppe hocheilte und das Boot von außen verschloss, dachte Tony darüber nach, was Staceys Worte bedeuteten. Wären sie nicht von Stacey, sondern von irgendeinem der anderen Mitglieder des Sondereinsatzteams gekommen, dann hätte der ihn an der Kehle gepackt und angeschrien: »Wenn ihr auch nur ein Haar gekrümmt wird, dann bring ich Sie um.«
    »Ich werde sie beschützen, Stacey«, sagte er in die Nacht hinein, während er den Steg entlang und quer über den Yachthafen zum Parkplatz rannte. Er hielt nicht inne, um einen klaren Gedanken zu fassen, und erst als er bereits auf die Autobahn auffuhr, fiel ihm ein, dass er gar nicht wusste, wohin er eigentlich fahren musste. Nicht mal Staceys Nummer hatte er. »Du Vollidiot«, schimpfte er sich aus. »Du gottverdammter Vollidiot.«
    Das Einzige, was ihm einfiel, war, Paula anzurufen. Doch bei ihrem Handy landete er sofort auf der Mailbox und schimpfte während der ganzen Ansage. Nach dem Signalton sagte er: »Das ist jetzt wirklich wichtig, Paula. Ich habe Staceys Nummer nicht, und sie muss mir unbedingt die Adresse von dem Ort zuschicken, von dem sie mir gerade erzählt hat. Und bitte, frag nicht lange, um was genau es geht, sonst muss ich weinen.«
    Das war keine leere Drohung. Er war immer bemüht, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten, aber lange würde er das nicht mehr schaffen. Es war leicht, nicht weiter über die Wichtigkeit seiner Beziehung zu Carol nachzudenken, solange sie irgendwo im Hintergrund seines Lebens anwesend war. Er hatte sich an ihre kameradschaftliche Beziehung gewöhnt, und seine Stimmung hob sich jedes Mal merklich, wenn sie sich zufällig über den Weg liefen. Ihre Gegenwart in seinem Leben war ein beständiges, stärkendes Element geworden, auf das er sich verlassen konnte.
    In seiner Kindheit hatten Liebe und Freundschaft kaum eine Rolle gespielt. Seine Mutter Vanessa war kalt, jede ihrer Gesten und Handlungen berechnend und darauf angelegt, genau das zu bekommen, was sie wollte. Das war die Frau, die Eddie Blythe, ihren Verlobten, mit einem Messer angegriffen hatte, weil sie das damals für die für sie vorteilhafteste Möglichkeit hielt. Es war Tonys Glück, dass sie es nicht geschafft hatte, ihn zu töten. Sie hatte ihn nur für alle Zeit vergrault.
    In Tonys Kindheit war Vanessa viel zu beschäftigt damit gewesen, ihre Karriere aufzubauen, als dass sie sich um so etwas wie Mutterpflichten hätte kümmern können. Meistens hatte sie ihn zu seiner Großmutter abgeschoben, die ähnlich gefühlskalt war. Seine Großmutter nahm es ihm persönlich übel, dass er ihren wohlverdienten Altersruhestand störte, und das ließ sie ihn spüren. Weder Vanessa noch seine Großmutter pflegten ihre sozialen Kontakte zu Hause, und somit hatte Tony selten Gelegenheit zu beobachten, wie Menschen in einem normalen Rahmen miteinander umgingen.
    Wenn er auf seine Kindheit zurückblickte, dann sah er die typische Vorlage für eine der schwierigen Biographien solcher Menschen, die er als Psychologe behandelte oder nach denen er als Profiler fahndete. Ungeliebt, ungewollt, hart bestraft für gewöhnlichen kindlichen Unfug oder für Vergesslichkeit und ferngehalten von normalen Begegnungen, die für die Entwicklung eines Kindes so wichtig sind. Der Vater fehlte ganz, und die Mutter war aggressiv. Wenn er die Psychopathen befragte, die später seine Patienten wurden, dann fühlte er sich oft an seine eigene öde Kindheit erinnert. Das war auch der Grund dafür, dass er so gut in seinem Job war. Er verstand

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