Vergeltung
Hören Sie, es sollte ein Witz sein. Er meinte, er könnte sich für mich ausgeben, ich meinte, es würde nicht klappen. Ich hab nie gedacht, dass er damit so weit kommen würde.« Collins grinste, als wolle er sagen: »Weisen Sie mir erst mal nach, dass ich lüge.«
»Das muss ja sehr viel Planung erfordert haben für einen Witz«, bemerkte Ambrose sarkastisch.
Collins zuckte mit den Schultern. »Das war nicht meine Sorge. Er war ja derjenige, der meinte, er könnte damit durchkommen. Und er musste es ja hinkriegen.« Er reckte beide Daumen in die Höhe. »Hat er verdammt gut gemacht.«
»Ich glaube Ihnen nicht.«
Collins zuckte wieder mit den Schultern. »Glauben Sie, was Sie wollen. Mir scheißegal.«
»Sie wissen, dass Ihre Zeit in dieser Abteilung zu Ende ist, oder? Sie werden in Kategorie A zurückgestuft. Keine Privilegien. Schluss mit der weichen Decke oder dem eigenen Bad. Keine gefühlsduseligen Therapiestunden. Keine Aussicht auf einen gemütlichen Tag außerhalb vom Knast. Nicht, bis Sie ein alter Mann sind. Es sei denn, Sie haben Informationen, für die man ’n Auge zudrücken kann.«
Collins’ Mund verzog sich zu einem spöttischen Grinsen. »Hab was Besseres als Informationen. Ich hab Krebs, Dicker. Ich werd im Krankenhaus liegen. Ich werde nach Haus dürfen und dort sterben, wie der Lockerbie-Bomber. Nichts, mit dem Sie mir drohen können, kommt an das ran. Also können Sie sich verpissen.«
Da hatte er nicht unrecht, dachte Ambrose, während er den Stuhl zurückschob und zur Tür ging. Als man ihn hinausließ, drehte er sich noch einmal um und lächelte Collins zu. »Ich hoffe, dass der Krebs Sie so nett behandelt, wie Vance seine Opfer behandelt hat.«
Collins grinste. »Du hast keine Ahnung, Cop. Jacko sagte, er hat Pläne, dagegen wird die Vergangenheit sich wie ’ne Märchenstunde anhören.«
14
C hris Devine spürte, wie ihr die Zornesröte ins Gesicht stieg. Sie hatte sich immer als taff genug für ihre Arbeit betrachtet. Ihre Gelassenheit war nie durch Emotionalität in Gefahr gewesen. Lange hatte sie geglaubt, nichts könne sie schocken. Dann war Shaz Bowman von Jacko Vance umgebracht worden, und Chris hatte gemerkt, dass es sie genauso umhauen konnte wie die anderen. Aber sie hatte nicht die Fassung verloren. Die Genugtuung würde sie ihm nicht gönnen. Stattdessen hatte sie den Schmerz als Impuls genutzt, um Shaz’ Mörder zu jagen, und sich der spontan gebildeten Kommission angeschlossen, die Tony und Carol zusammengestellt hatten, um Vance zu Fall zu bringen. Während ihrer ganzen Karriere hatte nichts ihr mehr Befriedigung verschafft.
In dem halben Dutzend Jahre, in dem sie Mitglied des Sondereinsatzkommandos in Bradfield war, hatte Chris fast an jedem Arbeitstag an Shaz gedacht. Sie hatten zusammen gearbeitet, als Shaz neu zur Kripo versetzt worden war, und sie waren ein gutes Team gewesen, nichts hätte sie aufhalten können. Dieser Beruf war Shaz’ Traumjob gewesen, und sie hätte gute Arbeit geleistet.
In Chris’ Kummer mischten sich unausweichlich Schuldgefühle. Obwohl sie damals nicht Shaz’ Chefin gewesen war, machte sie sich Vorwürfe, dass sie nicht genau genug darauf geachtet hatte, was Shaz tat. Wäre sie nicht so sehr mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt gewesen, dann hätte sie der jungen Kollegin vielleicht Schützenhilfe geben und sie absichern können. Aber das hatte sie nicht getan, und mit diesem Versagen lebte sie nun täglich. Ironischerweise war sie dadurch als Kollegin umsichtiger und teamfähiger geworden.
Selbst heute noch fand sich keine Spur von Vergebung in ihrem Herzen für Jacko Vance. Sein Name konnte bei ihr immer noch eine Wut auslösen, die, so vermutete sie, nur durch die Ausübung körperlicher Gewalt zu besänftigen war. Als sie jetzt Carol Jordans Bericht hörte, spürte sie die vertraute Wut wieder in sich hochkochen. Aber es hatte keinen Sinn, sich in Schuldzuweisungen zu ergehen. Das einzig Wichtige war, Vance wieder dahin zurückzubringen, wo er hingehörte, und dafür zu sorgen, dass er dort blieb. »Wie wird die Fahndung aufgeteilt?«, fragte sie und verdrängte ihren Ärger.
»Ich habe keine Informationen«, sagte Carol. »Niemand hat sich die Mühe gemacht, mir offiziell mitzuteilen, was los ist. Ich weiß es überhaupt nur, weil das Innenministerium Tony um eine Risikoanalyse gebeten hat. Und er meint, dass alle, die an seiner Verhaftung beteiligt waren, jetzt in akuter Gefahr sind.«
Chris runzelte die Stirn. Sie
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