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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Schreibmaschine tippen gelernt hatte. »Ich will lieber nichts weiter wissen«, sagte Carol. »Rede mit mir und Tony, wenn du fertig bist. Noch eins, Chris.«
    Chris wandte den Blick vom Bildschirm ab. »Was?«
    »Lass dich da nicht so reinziehen, dass du deine eigene Rückendeckung vergisst. Wenn Vance eine Liste hat, dann stehst du auch drauf.« Carol erhob sich und ging auf die Tür zu.
    »Ja. Und bei allem Respekt, Chefin, wo gehen Sie denn ganz allein hin?«, rief Chris ihr hinterher.
    Carol machte eine halbe Drehung, und ein ironisches Lächeln ließ die Fältchen um ihre Augen erscheinen. »Ich gehe ins Präsidium der Northern Division. Ich glaube, dort bin ich sicher.«
    »Darauf würde ich mich nicht verlassen«, murmelte Chris düster, als sich die Tür hinter Carol schloss.

    Es war ungewöhnlich für Vanessa Hill, während der Mittagspause nicht beschäftigt zu sein. Nur weil Essen eine Notwendigkeit darstellte, war das für sie kein Grund, die Lunchpause ungenutzt verstreichen zu lassen. Deshalb gehörte es zu ihren festen Gewohnheiten, in der Mittagspause zu arbeiten. Entweder war sie mit Kunden unterwegs oder mit wichtigen Angestellten im Büro, plante neue Kampagnen und wertete potenzielle Märkte aus. Seit dreißig Jahren leitete sie nun schon ihre Agentur für Humanressourcen und war nicht zufällig eine der führenden Headhunterinnen des Landes geworden.
    Aber heute saß sie auf dem Trockenen. Der Versicherungsmakler, den sie zum Lunch treffen wollte, hatte in letzter Minute abgesagt – irgendein Unsinn, dass seine Tochter sich bei einem Unfall in der Schule den Arm gebrochen hätte –, und da saß sie nun im Stadtzentrum von Manchester und hatte keine Beschäftigung bis zu ihrem Termin um zwei.
    Sie hatte keine Lust, allein in dem Restaurant am reservierten Tisch zu sitzen, also machte sie vor einer Sandwichbar halt und holte sich einen Kaffee und ein belegtes Brötchen. Sie erinnerte sich, dass sie auf dem Weg zum Restaurant an einer Autowaschanlage mit Service vorbeigekommen war. Es war sowieso Zeit, dass ihr Auto wieder mal gründlich gereinigt wurde. Früher hatte sie solche Dinge selbst gemacht, mit der Begründung, dass niemand anders die Arbeit so sorgfältig verrichten würde. Aber heutzutage zahlte sie lieber. Das bedeutete allerdings nicht, dass sie jetzt in Bezug auf ihre Ansprüche kompromissbereiter war. Wenn es nicht gut genug erledigt wurde, bestand sie einfach darauf, dass es noch einmal gemacht wurde.
    Vanessa fuhr in die Servicebucht ein, gab ihre Anweisungen und setzte sich im Warteraum zurecht, wo hoch oben an der Wand für die Kunden ein Fernseher mit den neuesten Nachrichten lief. Da sei Gott vor, dass man sich mal mit sich selbst beschäftigen musste, dachte Vanessa. Sie wickelte ihr Sandwich aus und war sich dabei bewusst, dass sie von einem Typen in den Fünfzigern beobachtet wurde, der einen diese Woche noch nicht gebügelten Anzug von der Stange trug. Sie hatte ihn mit einem kurzen Blick gestreift und bereits als uninteressant abgehakt, als sie den Raum betreten hatte. Sie war geübt darin, Leute schneller einzuschätzen, als ihre Kunden oft für möglich hielten. Es war eine Fertigkeit, die sie immer schon besessen hatte. Und wie bei allen Gaben der Natur hatte Vanessa gelernt, sie zu optimieren.
    Sie wusste, dass sie keine besonders attraktive Frau war. Ihre Nase war zu spitz, ihr Gesicht zu eckig. Aber sie hatte sich immer so gekleidet und zurechtgemacht, dass sie aus dem, was sie hatte, das Beste herausholte, und es freute sie, dass Männer sie immer noch musterten. Nicht dass sie auch nur im Entferntesten an einem von ihnen interessiert gewesen wäre. Es war Jahre her, seit sie Zeit oder Energie auf etwas Tiefergehendes als Schwärmerei und Flirts verwendet hatte. Sich mit sich selbst abzugeben war mehr als zufriedenstellend für sie.
    Beim Essen blickte Vanessa hin und wieder auf den Bildschirm.
    In letzter Zeit kamen einem die Nachrichten wie die tägliche Wiederholung des schon Dagewesenen vor. Aufruhr im Nahen Osten, Unruhen in Afrika, Streitereien der Regierung und die neuesten Naturkatastrophen. Neulich einmal hatte eine ihrer Angestellten in der Kaffeeküche alle zum Lachen gebracht, als sie eine übertrieben religiöse Nachbarin nachmachte, die im Gespräch bei den Mülleimern den nahenden Weltuntergang mit den vier apokalyptischen Reitern voraussagte. Man konnte aber durchaus verstehen, was sie meinte.
    Jetzt schien die Nachrichtensprecherin munterer zu

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