Vergeltung
auch nur gern etwas trinken gegangen wäre.«
Eine weitere Sackgasse. »Wie hieß der Club, in dem sie arbeitete?«, fragte Kevin.
Sie schienen alle verblüfft. »Ich hab sie nie danach gefragt«, sagte Tara. »Es war ja nicht so, als wollten wir da mal auf’n Drink vorbeigehen.«
»Und Sie, Jamie? Das ist doch etwas, wofür sich ein Mann eher interessieren würde«, sagte Sam.
»Schließen Sie nicht von sich auf andere«, entgegnete Jamie mit einem höhnischen Grinsen.
Sam lachte leise. »Das hab ich auch nicht getan. Deshalb dachte ich, dass Sie es vielleicht wüssten. Tara, Sie sagten, es wäre oben beim Flugplatz. Können Sie sich daran erinnern, woher Sie das wissen?«
Tara zog die Stirn kraus und rieb sich die Wange mit dem Finger. Nach einer kleinen Weile, während der alle gespannt gewartet hatten, sagte sie: »Sie hat mich nach Fahrradständern am Flugplatz gefragt. Sie hatte einen Billigflug nach Madrid gebucht, musste aber sehr früh morgens einchecken und meinte, da würde sie wohl besser von der Arbeit aus hingehen, weil sie ja mit dem Rad nur fünfzehn Minuten brauchte.« Als sie lächelte, wurde Sam klar, was Jamie in ihr sah. Ihr ganzes Gesicht leuchtete auf, und sie gab damit das erste Anzeichen, dass man mit ihr Spaß haben könnte. »Sie konnte also höchstens zwei Meilen von dort gearbeitet haben.«
»Danke, darum werden wir uns kümmern. Fällt Ihnen sonst jemand ein, mit dem Leanne eine besonders freundschaftliche Beziehung hatte? Vielleicht eine Kommilitonin aus dem Spanisch-Institut? Jemand von den Dozenten?«
Sie wechselten wieder Blicke. »Sie war schon gesellig, aber sie hatte nicht viel freie Zeit. Wie wir alle«, sagte Tara kleinlaut. »Mir fällt jetzt niemand Spezielles ein, aber sie hat viel auf Facebook gemacht. Sie hatte viele Freunde in Spanien.«
»Ich kenne ihr Passwort«, sagte Siobhan. »Einmal, als sie in Spanien war, konnte sie nicht ins Internet und hat mir etwas gesimst, damit ich es auf ihre Facebook-Seite stellte. Es war LCQuixote.«
»Können Sie mir das aufschreiben?« Sam schob sein Notizbuch über den Tisch. »Wir können auch Fotos brauchen, wenn Sie welche haben.«
Jamie stand auf. »Ich hab welche im Computer. Soll ich ein paar ausdrucken?« Einige Minuten später kam er mit einer Handvoll DIN-A4-Seiten zurück. Auf einem war Leanne in einem glänzenden Spaghettitop zu sehen, sie hob der Kamera ein Glas entgegen, hatte den Kopf nach hinten geworfen und lachte. Die Schar Gäste im Hintergrund zeigte, dass hier eine Party in vollem Gang war. Jamie deutete auf das Bild. »Ich habe letztes Jahr eine Geburtstagsparty hier im Haus gefeiert.« Zwei waren offensichtlich in der Küche aufgenommen, auf denen sie ein schlabbriges T-Shirt und Jeans trug und an den Kühlschrank gelehnt stand. Auf einem streckte sie der Kamera die Zunge heraus. Das letzte zeigte sie mit ihrem Fahrrad, den Helm in der Hand, das Haar lose herabhängend und lächelnd. »Das war erst vor zwei Wochen«, sagte er. »Sie war gerade von der Bibliothek zurückgekommen. Ich habe die Kamera von meinem neuen Handy ausprobiert. Reichen die?«
Kevin nickte. »Es würde helfen, wenn Sie sie uns per E-Mail schicken könnten.« Er war ziemlich sicher, dass sie so ziemlich alles von den Mitbewohnern herausbekommen hatten, was zu holen war; deshalb nahm er seine Visitenkarten heraus und verteilte sie. »Da ist meine E-Mail-Adresse drauf. Wir werden wahrscheinlich noch einmal mit Ihnen reden müssen«, fügte er hinzu. »Aber wenn Ihnen inzwischen irgendwas einfällt, rufen Sie uns an.« Allerdings erwartete er sich nicht allzu viel.
Draußen lachte Sam leise, während sie auf den Wagen zugingen. »Was ist so komisch?«, fragte Kevin.
»Ich hab mir nur vorgestellt, wie gut DI Spencer und seine Trottel diese Befragung abgewickelt hätten. Bei etwas so Außergewöhnlichem wie einer Doktorandin, die zugleich ’ne Nutte ist, da sind die doch total überfordert.«
Kevin machte eine finstere Miene. »Er ist ein Vollidiot der übelsten Sorte.«
Sam zuckte mit den Schultern. »Er hat nur laut gesagt, was viele Leute insgeheim denken. In mancher Hinsicht würde ich lieber mit Leuten wie Spencer zu tun haben. Es ist besser zu wissen, woran man ist, als mit den Heuchlern umzugehen, die so tun, als würde es für sie keinen Unterschied machen. Aber im Grunde verachten sie dich. Du weißt ja, wie gern ich tanzen gehe, oder?«
Kevin wusste es. Es war etwas, was man Sam nicht zugetraut hätte. Denn es passte
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