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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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neuen Krankenhauses.
    Es war viel Verkehr auf dem Campion Way, was ihm sehr entgegenkam. So spät abends stauten sich hier gewöhnlich die Fahrzeuge nicht so. Aber aus manchen Autofenstern flatterten jetzt gelbe Schals, und Fletcher vermutete, dass Bradfield Victoria wohl gespielt hatte. Vage erinnerte er sich, dass sie in der Europa League waren, worüber sich die Kerle im Pub lustig gemacht hatten. »Donnerstagabend, Kanal 5. Fußball ist das eigentlich nicht«, hatten sie gesagt. Er verstand die Bemerkung nicht, begriff aber, dass sie abschätzig gemeint war. Oft verstand er nicht richtig, wovon die Typen im Pub oder bei der Arbeit redeten, aber er wusste, dass er sein wahres Wesen am besten verbergen konnte, wenn er seine Verwirrung versteckte und so tat, als sei er einer von den Stillen, die nicht viel zu sagen hatten und nur alles in sich aufnahmen. Das war im Lauf der Jahre ganz gut für ihn gelaufen. So gut, dass er Margo lange genug täuschen und sie für sich gewinnen konnte. Und als das nicht mehr funktionierte, na ja, da hatte er die Sache ein für alle Mal erledigt; er musste sich nie herausreden, weil das niemand von ihm erwartete.
    Während der Verkehr auf der Schnellstraße dahinkroch, studierte Fletcher jede Frau, an der er vorbeikam, ob sie vielleicht auf den Strich ging. Aber seine Suche war nicht planlos, er wusste genau, worauf er aus war. Im Grunde erwartete er gar nicht, hier am Rand von Temple Fields fündig zu werden. Er ging davon aus, dass er sein Netz heute Abend weiter auswerfen musste.
    Aber gerade als der Verkehr zu fließen begann, sah er, was er suchte. Es war unmöglich, hier anzuhalten, deshalb bog er bei der nächsten Gelegenheit links ab, fand einen nicht ganz legalen Platz zum Parken und ging zu Fuß zurück. Er wäre wahnsinnig gern gerannt, es fühlte sich fast an, als müsste er dringend zur Toilette. Aber das Letzte, was er wollte, war, Aufmerksamkeit zu erregen. Also ging er zügig und hoffte, sie würde bald zu sehen sein, wenn er um die Ecke bog.
    Und ja, dort war sie. Unverwechselbar, obwohl er von hinten auf sie zukam. Offensichtlich war sie bei der Arbeit. Er sah es an ihrem Gang, dem Hüftschwung, den lässigen halben Drehungen zum Verkehr hin, den lächerlichen Stöckelschuhen, die ihre Waden zu festen Wülsten hochdrückten.
    Er spürte das Blut in seinen Schläfen pochen. Am Rand des Blickfelds schien er nur verschwommen zu sehen, und sie blieb als das einzige klare Element übrig. Er sehnte sich nach ihr. Es verlangte ihn danach, sie aus dem Schmutz und der Verderbtheit herauszuholen, denen sie sich hingab. Wusste sie nicht, wie gefährlich es da draußen auf diesen Straßen war? »Sie gehört mir«, murmelte er leise, während er langsamer ging, um sein Tempo dem ihren anzupassen. »Mir allein.«

24
    A lvin Ambrose las einen weiteren Bericht durch, der die Suche nach Jacko Vance nicht weiterbrachte. DI Stuart Patterson ließ sich auf den Stuhl gegenüber fallen und seufzte. Sein Gesichtsausdruck erinnerte Ambrose an seine jüngere Tochter Ariel, ein Kind, das auf »Schmollen« als Spezialgebiet bei der Quizshow Mastermind hinzuarbeiten schien. »Die Sache kommt überhaupt nicht voran«, murrte Patterson. »Warum können Sie ihn nicht finden?«
    Sie, bemerkte Ambrose. Nicht wir. Offenbar hatte Carol Jordans Beteiligung an dem Fall, obwohl sie nur indirekt war, die Distanz seines Chefs zur Arbeit seines Teams noch vergrößert. »Zwanzig Männer kümmern sich allein in unserem Bereich um die Meldungen, dass er gesehen wurde. Andere Polizisten im ganzen Land tun das Gleiche. Eine weitere Gruppe habe ich beauftragt, das Material aus den Überwachungskameras durchzugehen, damit wir das Taxi finden, in dem er entkommen ist. Außerdem sind Kollegen dabei, mit dem Gefängnispersonal zu sprechen. Das Innenministerium hat ein Sonderteam geschickt, das seine Ex-Frau schützt. Wir tun alles, was wir können. Wenn Sie meinen, dass wir etwas nicht einbezogen haben, dann sagen Sie es mir, und ich werde es veranlassen.«
    Patterson ignorierte die Aufforderung. »Wir werden dastehen wie verdammte Hinterwäldler. Können nicht mal ’n Einarmigen fangen, der im halben Land so bekannt ist wie Simon Cowell. Carol Jordan wird sich kaputtlachen über uns.«
    Ambrose war schockiert. Er war einen anderen Patterson gewohnt, einen Mann mit unaufdringlicher christlicher Gesinnung, der sich nicht scheute, sein Mitgefühl zu zeigen. Seine Verbitterung darüber, dass er übergangen wurde,

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