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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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steht ein Observationswagen. Wenn ich überhaupt weggehe, dann nach Bradfield Moor, wo es verdammt viel sicherer ist, als Oakworth letztendlich war.« Ganz hinten fand er ein altes Päckchen Zimtdrops. Er war schon mindestens zwei Jahre nicht mehr über den Atlantik geflogen, aber er meinte, Lutschbonbons würden wohl nicht verderben. Mit einer Hand riss er die Rolle auf und warf sich einen in den Mund. Außen war der Bonbon ein bisschen weich, aber innen war er noch hart und fest. Tony biss kräftig darauf und ließ den Zucker- und Zimtgeschmack seinen Mund füllen, was ihn merkwürdigerweise beruhigte.
    »Essen Sie etwas?«, fragte Ambrose.
    »Halten Sie mich auf dem Laufenden?«
    »Ich tue, was ich kann. Passen Sie auf sich auf.«
    Die Verbindung brach ab, und Tony starrte auf die Liste von Dateien auf seinem Bildschirm. Wie war es möglich, dass er Terry Gates nicht in Betracht gezogen hatte? Dass er daran nicht gedacht hatte, erschütterte seine Selbstgewissheit und ließ ihn sich fragen, was er sonst noch übersehen haben könnte. War es die Sorge um Carol gewesen, die ihn davon abgehalten hatte, seiner üblichen Analyseroutine zu folgen? Wenn er nicht klar denken konnte, dann war seine Mitarbeit bei der Ermittlung nutzlos. Nein, schlimmer noch. Ohne klares Denken war er geradezu eine Belastung.
    Tony fasste sich mit Daumen und Zeigefinger an die Nasenwurzel und kniff fest die Augen zu. Er sah einen weißen Würfel vor sich und stellte sich vor, er säße darin. Er atmete tief und regelmäßig und verdrängte alles andere aus seinen Gedanken. Als er nur noch den weißen Raum vor sich sah, öffnete er die Augen und legte rechts und links von der Tastatur die Hände flach auf den Schreibtisch. »Du bringst Frauen um, die sich prostituieren«, sagte er in den leeren Raum hinein. Dann griff er sich seine Brille und begann, sich in das labyrinthische Gemüt eines gestörten Mörders hineinzudenken.

26
    C arol arbeitete die über Nacht hereingekommenen Berichte durch, als sie auf Sams Zusammenfassung seiner Befragung von Natasha Jones, der Geschäftsführerin und Konzessionsinhaberin von Dances With Foxes, stieß. Die Informationen waren nützlich. Eine Zeugin dafür, dass Leanne den Club in einem fremden Wagen verlassen hatte, konnte ein wichtiger Baustein bei der Überführung des Mörders sein. Und das Vorgehen, das Sam vorgeschlagen hatte, war genau richtig. »Ich empfehle Überprüfung des Videomaterials an den Verkehrsampeln der Brackley Road in beiden Richtungen von und zum Club. Zeitrahmen dreiundzwanzig bis ein Uhr, Dienstagabend auf Mittwoch früh. Ziel: den Wagen zu identifizieren, in dem Leanne Considine vom Lapdance-Club Dances With Foxes in der Brackley Road 673 weggebracht wurde.« Doch irgendetwas an dem Vernehmungsbericht stimmte nicht. Erstens war Sam mit Kevin unterwegs gewesen, aber Kevin wurde nicht erwähnt. Das Ganze kam ihr vor, als wolle Sam etwas vertuschen. Carol kannte Sam gut genug, um zu wissen, dass es dann auch etwas zu verbergen gab.
    Sie blickte hinaus in das Großraumbüro, wo Kevin und Paula telefonierten. Kein Anzeichen von Sam, also schrieb sie eine Notiz. »Bitte in mein Büro, wenn du fertig bist.« Sie legte sie vor Kevin hin, der ihr einen Blick schmerzlicher Resignation zuwarf. Innerhalb von zwei Minuten saß er auf ihrem Besucherstuhl.
    »Gut gemacht gestern Abend«, sagte Carol, lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und legte die Füße auf die offene untere Schublade.
    »Danke«, entgegnete Kevin vorsichtig.
    »Ich habe Sams Bericht gesehen. Du kommst merkwürdigerweise nicht darin vor.«
    Kevin schlug die Beine übereinander und stützte das linke Sprunggelenk auf sein rechtes Knie. Mit den Fingern trommelte er auf sein linkes Knie. Er war so entspannt wie ein Examenskandidat. »Es war Sams Sache. Die Geschäftsführerin wollte uns vormachen, Leanne hätte nie dort gearbeitet. Als wir wegfuhren, sah Sam Leannes Fahrrad. Deshalb ging er noch mal rein, um die Geschäftsführerin zur Rede zu stellen.«
    »Wo warst du?« Noch war sie sehr zurückhaltend, da ihr unklar war, worauf die Sache hinauslaufen würde.
    »Ich war im Wagen.«
    »Was? Du warst zu bequem, der Sache nachzugehen?«
    Kevin schob die Lippen vor. Seine Finger hörten auf zu tanzen und umklammerten sein Knie. »So war es eigentlich nicht.«
    »Wie denn?«
    »Ist das wichtig? Sam hat rausbekommen, was wir brauchten. Es macht mir nichts aus, dass er seinem Gespür gefolgt ist und einen Stich machen konnte.« Er

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