Vergeltung
schroff. »Wenn Sie etwas von Ihrer Arbeit verstehen, müssen Sie ja wissen, dass Vance ein gefährlicher Bursche ist. Mir ist nur wichtig, ihn wieder hinter Gitter zu bringen, bevor er weitere Morde begeht.«
Sie stieß ein kurzes, trockenes Lachen aus und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Ihr Nagellack hatte dieselbe ungünstige Farbe wie ihr Lippenstift und ließ ihre Finger merkwürdig verstümmelt aussehen. »Ich glaube, ich bin besser in der Lage als Sie, zu beurteilen, wozu Jacko Vance heutzutage fähig ist. Ich weiß, es ist schwierig für Sie, das zu begreifen, aber selbst Menschen, die solche schrecklichen Verbrechen begangen haben wie Jacko, sind fähig, einen Weg zur Erlösung zu finden.«
Der Satz hatte den Beigeschmack eines Zitats aus einer PowerPoint-Präsentation. »Er hat heute bereits eine Person ins Krankenhaus gebracht«, erwiderte Ambrose. »Ich brauche keine Belehrung von Ihnen, inwieweit Vance rehabilitiert ist. Er ist es ganz offensichtlich nicht. Wie Sie das mit Ihrer professionellen Welt in Einklang bringen, ist Ihre Sache. Aber ich kann mir jetzt den Luxus des Jammerns nicht leisten. Was ich brauche, ist eine Einschätzung, wie er sich benehmen wird, wohin er gehen wird, was er tun wird.«
Sie war klug genug zu wissen, dass ihre Ausgangsposition nicht besonders günstig war. »Ich glaube aufrichtig, dass er keine Bedrohung ist«, sagte sie. »Wie wir alle wird er um sich schlagen, wenn er in die Enge getrieben oder ihm Angst eingejagt wird.«
»Der Mann, den er bewusstlos geschlagen hat, war Taxifahrer«, sagte Ambrose prompt. »Ich verstehe nicht recht, wie ein vierunddreißigjähriger Taxifahrer ihm das Gefühl gab, verängstigt in die Enge getrieben zu sein. Egal, wie schlecht er fuhr.«
»Sie brauchen jetzt nicht ironisch zu werden«, giftete sie affektiert. »Lassen Sie mich doch ausreden. Ich bin ja nicht blöd, Sergeant. Ich arbeite schon lange auf diesem Gebiet, und mich steckt man nicht so schnell in die Tasche. Ich empfahl Jacko für die therapeutische Abteilung, weil er bei unseren Sitzungen Reue zeigte und einsichtig war, was seine früheren Delikte betraf. Er erfüllte alle Kriterien für die Therapie, nur stand dem die Tatsache im Weg, dass er niemals für eine Freilassung in Frage kommen würde. Aber warum sollte man jemandem die beste Chance verwehren, sich nach dem Unglück in seinem Leben wieder aufzurappeln, einfach nur, weil er aus dieser Gelegenheit nicht hundert Prozent Nutzen ziehen kann?«
Wieder so ein auswendig gelernter Spruch, dachte Ambrose. Er fragte sich, welcher Anteil von Maggie O’Touls geplanter Karriere auf Vance’ Rehabilitation fußte. »Sagen Sie doch mal, wie hat sich seine Reue geäußert?«
»Ich bin nicht sicher, was Sie damit meinen. Er brachte Bedauern zum Ausdruck und erklärte die Verkettung der Umstände, die ihn dazu trieben, die Taten zu begehen.«
»Und wie steht es mit Wiedergutmachung? Hat er jemals darüber gesprochen? Über die Menschen, deren Leben er zerstört hat?«
Kurz blitzte Verärgerung bei ihr auf, als hätte sie aus Nachlässigkeit etwas vergessen. »Natürlich hat er das getan. Er wollte die Verwandten seiner Opfer treffen und sie persönlich um Verzeihung bitten. Er wollte all den Kummer, den er seiner Ex-Frau verursacht hatte, wiedergutmachen.«
»Können Sie sich erinnern, welche Opfer er erwähnte?«
»Natürlich. Er wollte mit Donny Doyles Familie sprechen.«
»Nur mit ihnen?«
Sie trommelte mit den Fingern leise auf die Stuhllehne. »Sie war sein Opfer, Sergeant.«
Ambrose rang sich ein schwaches Lächeln ab. »Das einzige der Verbrechen, wofür er vor Gericht stand und verurteilt wurde. Und die anderen Mädchen, die er entführt und ermordet hat? Hat er ihre Namen genannt? Hat er Bedauern über ihren Tod geäußert?«
»Wie Sie wissen, hat er diese Vorwürfe immer zurückgewiesen, und es wurden ihm nie andere Morde zur Last gelegt.«
»Er wurde tatsächlich eines anderen Mordes angeklagt, kam aber davon, weil sein Kumpel Terry Gates einen Meineid schwor. Und er wurde verurteilt wegen der Ermordung von Shaz Bowman, bis das Berufungsgericht den Fall abwies. Hat Vance diese beiden in die Aufzählung seiner Sünden eingeschlossen?«
Dr. O’Toul schnaufte schwer. »Ich beteilige mich hier nicht an einem Wettbewerb im Punktesammeln, Sergeant. Ich kenne meine Zuständigkeit und schlage vor, dass Sie sich an Ihre halten. Noch einmal: Ich glaube, dass Jacko keine Bedrohung darstellt. Es enttäuscht
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