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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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mich, dass er diesen Fluchtplan ausgeheckt hat, aber ich kann mir vorstellen, dass er am Ende das Gefängnis einfach unerträglich fand. Meine Vermutung ist, dass er das Land verlassen will, um irgendwohin zu gehen, wo er sich sicher fühlt.« Sie lächelte, ihre Wangen überzogen sich mit vielen konzentrisch verlaufenden Falten. »Und ich denke durchaus, dass er sich gebessert hat und ein normales Leben führen wird.«
    Ambrose schüttelte ungläubig den Kopf. »Das glauben Sie wirklich alles, oder?« Er stand auf. »Es ist sinnlos. Wenn Sie keine genaue Vorstellung haben, wo er sein könnte, vielleicht einen Ort, den er erwähnt hat, eine Person, der er nahestand, dann hat es keinen Zweck, dieses Gespräch fortzusetzen.«
    »Ich habe keine Ahnung, wo er sein könnte. Und auch nicht, wen er außerhalb des Gefängnisses kennt. Und ich halte das alles wirklich für eine enorme Verschwendung von Arbeitszeit«, fügte sie hinzu. »Ich hätte Jacko nicht für diese Gruppe empfohlen, wenn ich nicht gewusst hätte, dass er sich geändert hat.«
    Ambrose ging auf die Tür zu, blieb aber kurz stehen, bevor er in den Korridor trat. »Ich hoffe, Sie haben recht. Ich hoffe wirklich, Sie haben recht. In dieser Sache wäre ich sehr froh, wenn ich mich irren würde.« Er rieb sich den Nacken und versuchte, seine verspannten Muskeln zu lockern. »Und ich glaube, in einer Hinsicht täuschen Sie sich nicht. Es gibt Leute da draußen, mit denen Vance noch eine Rechnung offen hat. Aber ich glaube nicht, dass er das wiedergutmachen will, was er getan hat. Ich glaube, sein Plan ist, sie teuer bezahlen zu lassen für das, was sie ihm angetan haben.« Ambrose wartete die Antwort nicht ab. Er schloss nicht einmal die Tür hinter sich. Maggie O’Toul hatte die Genugtuung nicht verdient, dass er die Tür zuschlug.

27
    P aula war nicht weit weg gegangen. Als sie Carol auf sich hatte zukommen sehen, hatte sie fast Panik bekommen und sich gefragt, ob ihre Chefin über eine Art sechsten Sinn gespürt haben könnte, dass sie mit Tony gesprochen hatte. Doch es war Kevin gewesen, auf den Carol ihr Augenmerk gerichtet hatte, und Paula hatte ihr Telefongespräch mit der Aufforderung beendet: »Wenn du schon in der Nähe bist, triff mich im Costa Coffee in der Bellwether Street. In fünf Minuten.« Und sie sauste davon, bevor jemand fragen konnte, wohin sie ging.
    Jetzt saß sie vor dem größten Milchkaffee, den das Café anbot, und harrte ihres Komplizen. Er ließ sie nicht lange warten und setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. »Nimmst du’n Kaffee?«, fragte sie im Aufstehen.
    Er schüttelte den Kopf. »An manchen Tagen ist es einfach zu schwer, sich zu entscheiden.« Er runzelte die Stirn. »Ich glaube, die Politiker täuschen sich. Wir brauchen nicht mehr Wahlmöglichkeiten, sondern weniger. Zu viele Möglichkeiten, das ist einfach zu viel Stress. Man hat Experimente gemacht, weißt du. Unter der Voraussetzung, dass alle sonstigen Lebensumstände gleich bleiben, leben Ratten länger und gesünder, wenn sie weniger Auswahl haben.«
    Manchmal fragte sich Paula, wie Carol Jordan mit dieser wie auch immer gearteten Beziehung mit ihm zurechtkam. Seine Fähigkeit, vom Thema abzulenken, war verführerisch, aber es war schwer, damit umzugehen, wenn man direkt zur Sache kommen wollte. »Hast du alle Unterlagen bekommen?«, fragte sie.
    Er antwortete mit einem eigenartigen Lächeln. »Ich nehme es an. Aber das ist ja eine Frage, die sich nicht beantworten lässt, nicht wahr? Denn von den Dateien, die ich nicht bekommen habe, weiß ich nichts. Es ist wie bei einer Vorlesung, wenn man fragt, ob alle einen hören können. Denn natürlich wird jemand, der einen nicht hört, die Frage nicht beantworten können, also ist man genauso schlau wie zuvor.«
    »Tony!«
    »Tut mir leid, ich bin im Moment in einer komischen Stimmung.«
    Paula blickte ihn finster an. »Wir wissen alle, dass du und die Chefin auf der Hut seid, falls Jacko Vance hinter euch her ist. Mein Gott, so geht es ja jedem, der lesen kann. Ich werde also etwas nachsichtiger mit dir sein als sonst.«
    Tony fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. »Ich bin nicht daran gewöhnt, dass man über mich Bescheid weiß«, sagte er. »Ich bekam jede Menge Anrufe von Journalisten, die wollten, dass ich ein Profil zu Vance schreibe. Ich glaube nicht, dass sie eine Ahnung davon haben, wie langweilig ein Profil ist. Selbst wenn ich so viel Interesse hätte, dass ich sie zurückrufen würde, könnte ich

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