Vergeltung
er das auf und nahm eine Stelle an der Strathclyde University an, wo er Dozent für Kriminologie ist.«
Tony erinnerte sich an Simons widerspenstiges schwarzes Haar, seine Hingabe an den Job und wie verliebt er in Shaz Bowman gewesen war. Tony hatte gerüchteweise gehört, dass er einen Zusammenbruch gehabt hatte, ein posttraumatisches Stresssyndrom diagnostiziert und er sanft aus der Anstellung hinausgedrängt worden war. »Armer Kerl«, sagte er zerstreut. Da fiel ihm auf, dass beide Frauen ihn sonderbar anblickten. »Ich meine, weil er in Shaz verknallt war, nicht weil er dann Dozent in Strathclyde wurde, natürlich.«
Chris schien belustigt und fuhr fort. »Er hat schon lange eine Frau und vier Kinder. Sie leben etwa eine Autostunde von Glasgow entfernt auf dem Land. Er schien ziemlich entnervt von der Neuigkeit. Er wird mit der Polizei vor Ort wegen häufigerer Streifen sprechen. Aber er sagte, sie wohnen am Ende eines Feldwegs, es gibt bloß eine Zufahrt, und man kommt nur auf dem gleichen Weg wieder heraus. Und sie haben Schrotflinten. Er nimmt es ernst, aber es klingt, als sei er bereits auf eine Belagerung vorbereitet gewesen. Er sagte mir, der Kapitalismus des Westens steuere auf eine Katastrophe zu, und dann werde die Kriminalität sprunghaft ansteigen. Jeder sei dann auf sich selbst gestellt. Aber er hätte seine Vorbereitungen getroffen.«
Es klang, als gehöre das posttraumatische Stresssyndrom noch nicht ganz der Vergangenheit an. »Oh Mann, ich hoffe, dass Vance nicht dort auftaucht«, sagte Tony. »Es würde ein Blutbad geben, und vielleicht wäre Vance der Einzige, der es überleben würde.«
»Das sind also zwei, für die wir nicht viel tun können«, meinte Carol. »Sag nur nicht, Kay Hallam sei wild entschlossen oder führe ihre eigene Miliz für Südengland an.«
»Wegen Kay Hallam sehe ich aus, als hätte ich im Auto übernachtet. Es ist nämlich tatsächlich so. Es war ziemlich schwer, sie aufzuspüren. Ich musste mich abstrampeln, ihre Spur zu finden, weil sie weggegangen ist und geheiratet hat. Mr. Right stellte sich als Wirtschaftsprüfer mit einem Büro auf den Kaimaninseln heraus. Einer dieser Kerle, die all den stinkreichen Widerlingen helfen, Steuern zu hinterziehen, statt wie alle anderen zu zahlen.«
Carol stieß einen Pfiff aus. »Die stille kleine Kay. Wer hätte das gedacht?«
»Es überrascht mich nicht«, sagte Tony. »Sie hatte das Talent, zu beobachten und zu warten, bis sie sich ihrer Sache sicher war, dann spiegelte sie Einstellungen und Standpunkt ihres Gegenübers wider. Alle dachten immer, Kay sei auf ihrer Seite, und sie hatte stets Probleme mit Situationen, in denen man Farbe bekennen und seinen Standpunkt verteidigen musste. Als Mr. Right in ihren Dunstkreis geschwommen kam, hat sie ihn beobachtet und abgewartet, schwamm dann neben ihm her und gab ihm das Gefühl, endlich den einen Menschen gefunden zu haben, der ihn wirklich verstand.« Er sah, wie die beiden Frauen seine Worte überdachten und zustimmend nickten. »Das hat sie zu einer so guten Befragerin gemacht. Paula hat das gleiche Talent eines Chamäleons, aber sie hat auch eine eigene Persönlichkeit, in die sie sofort zurückschlüpfen kann. Ich hatte niemals eine Ahnung davon, wer die wirkliche Kay Hallam war.«
»Unter der zurückhaltenden Oberfläche ist sie ganz schön zäh«, sagte Chris. »Im Moment ist sie in Großbritannien. Sie haben ein Haus in der Nähe von Winchester. Ihre Jungs sind dort im Internat, sie ist auf Besuch hier. Sie hat sofort alles begriffen, als ich ihr erzählte, was los ist. Und sie hat mich regelrecht unter Druck gesetzt, akzeptierte keine ablehnende Antwort. Drohte mir mit allem von der Daily Mail bis zur Untersuchungskommission für polizeiliches Fehlverhalten. Am Ende musste ich dort runterfahren und das Revier am Ort und die beiden Security-Leute, die sie von Gott weiß welcher Agentur hat, informieren. Ich weiß nicht, wie es Vance damit ginge, aber mir haben sie einen höllischen Schrecken eingejagt.« Chris schüttelte ungläubig den Kopf. »Könnt ihr glauben, dass ich das getan habe?«
»Das kann ich nicht nur glauben, sondern, wenn ich ihre Mittel hätte, würde ich an ihrer Stelle wahrscheinlich genauso handeln«, sagte Tony. »Vance stellt eine ernsthafte Bedrohung dar.« Er runzelte die Stirn. »Chris – hat nicht irgendein Journalist nach dem ersten Prozess ein Buch über Vance geschrieben?«
»Das erinnert mich schwach an irgendetwas. Musste es nach
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