Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
unpraktische Größe – zu groß für eine Hosen- oder Jackentasche –, aber er ließ sich sehr viel leichter mit herumtragen als ein Laptop. Während Vance auf sein Essen wartete, rief er die Kameras auf, die auf die umgebaute Scheune gerichtet waren.
    Da es jetzt Tag war, konnte Vance alles viel deutlicher erkennen. Die Fläche, die in der Nacht dunkel geblieben war, erwies sich jetzt als eine abgetrennte Einheit in der Scheune, eine Art separate Gästewohnung mit einer winzigen Küche und einem eigenen Bad. Eine Tür ging nach draußen, und an der gegenüberliegenden Wand führte eine andere wahrscheinlich in das große Wohnzimmer der Scheune. Auf jeden Fall gab es dort eine Tür an der entsprechenden Stelle.
    Aber das war nicht das interessanteste Element in diesem Viertel des Bildschirms. So nah vor der Kamera, dass man nur den oberen Teil seines zerzausten graublonden Schopfs und eine Schulter sehen konnte, saß ein Mann an einem langen Schreibtisch. Der Winkel der Kamera war ungünstig, aber Vance konnte die Ecke einer Tastatur und den oberen Rand eines Computermonitors ausmachen. Weiter hinten auf dem Schreibtisch war eine weitere Tastatur, vor der zwei große Monitore standen. Es war nicht möglich, Einzelheiten auf den Bildschirmen zu erkennen, aber Vance vermutete, dass es Programmcode war. Der Mann bewegte sich kaum. Sehr wahrscheinlich arbeitete er an seinem Rechner.
    Sonst war nirgends in der Scheune ein Lebenszeichen zu entdecken. Die Steppdecke war unordentlich auf das Bett geworfen, und der Wäschekorb quoll über, ein T-Shirt hing über den Rand heraus. Die Frau war also nicht da. Macht nichts, dachte Vance. Er hatte jede Menge Zeit. Als sein Essen kam, schloss er das Fenster, legte den Tablet-Computer beiseite und schlug tüchtig zu. Nach Jahren der Gefängnisverpflegung wäre ihm jedes Essen köstlich vorgekommen, aber dies hier war ein echter Genuss. Er nahm sich Zeit und genehmigte sich dann noch eine Portion Apfelstrudel mit Vanillesoße.
    Als er ging, hatte sich das Lokal mit Gästen gefüllt. Niemand beachtete ihn, als er sich durch die Menge an der Bar schlängelte und zum Parkplatz hinausging. Die Hälfte der Männer schien beim gleichen Schneider arbeiten zu lassen. Vance setzte sich in seinen Wagen und entspannte sich, musste allerdings zugeben, dass er bei diesem ersten Ausflug in die Öffentlichkeit ein wenig nervös gewesen war. Doch alles hatte perfekt geklappt.
    Zwanzig Minuten später fuhr er an der umgebauten Scheune vorbei, die im Mittelpunkt seines Interesses stand. Etwa eine halbe Meile danach parkte er auf einem von Reifenspuren zerfurchten Grünstreifen. Er nahm den Tablet-Computer heraus und wartete, bis die Seite aufgebaut war. In der kurzen Zeit, seit er aus dem Lokal gekommen war, hatte sich alles verändert. Der Mann stand am Küchenherd und rührte in einem Topf, wobei er sich rhythmisch bewegte wie zu Musik. Vance wünschte, er hätte den Ton dazu. Doch als ihm diese Idee gekommen war, war es schon zu spät gewesen, das noch einzurichten.
    Dann öffnete sich die Tür des Badezimmers, und die Frau im schwarz-weißen Outfit einer Anwältin, die gerade den Vormittag im Gericht verbracht hat, kam heraus. Sie fuhr sich mit der Hand über den Kopf, zog etwas wie eine Spange aus ihrer Frisur und ließ ihr Haar lose über die Schultern herabfallen. Nachdem sie ihre Jacke abgestreift hatte, warf sie sie über das Treppengeländer. Dann zog sie ihre Schuhe mit niedrigen Absätzen aus und glitt zu dem Mann hinüber, wobei ihre Bewegungen dem gleichen Rhythmus folgten. Sie näherte sich ihm von hinten, legte die Arme um seine Körpermitte und schmiegte sich an seinen Rücken. Mit seiner freien Hand griff er über die Schulter zurück und zerwühlte ihr das Haar.
    Die Frau trat zur Seite und nahm einen Laib Brot aus dem Brotkasten, ein Messer vom Block, ein Holzbrett aus einer Nische und einen Korb aus einer tiefen Schublade. Nachdem sie ein paar Scheiben abgeschnitten hatte, stellte sie den Korb mit Brot auf den Tisch, während der Mann Teller aus einem Schrank holte und eine dicke Suppe hineinschöpfte. Sie setzten sich und machten sich an ihr Mittagessen.
    Vance verstellte die Rückenlehne etwas nach hinten. Er musste den richtigen Moment abwarten, und das konnte eine Weile dauern. Aber das war in Ordnung. Er hatte schließlich Jahre darauf gewartet. Er war gut im Warten.

    Carol nahm sich Zeit, den Aufmacher in der Bradfield Sentinel Times zu lesen. Solche Artikel beruhten

Weitere Kostenlose Bücher