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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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nimmt, äußert seine Meinung, um dem System eine Lektion zu erteilen.« Franklin legte die hohle Hand um seine Zigarette, zündete sie an, nahm einen tiefen Zug und stieß den Rauch mit einem dramatischen Seufzer aus.
    »In all den Jahren, seit ich diesen Beruf ausübe, habe ich nie einen Mord an einem Anwalt erlebt, der verübt wurde, weil jemand den Ausgang eines Prozesses nicht mochte. Höchstens in Fernsehkrimis«, sagte Tony. »Es ist ziemlich schwach als Alternative. Und genauso verhält es sich mit dem ziellosen Psychopathen. Ziellos handelnde Psychopathen sind meistens Sexualtäter. Und ich habe Ihnen ja gerade erklärt, wieso es nicht um Sex ging. Zu sagen, es geht um Lucys berufliche Tätigkeit, ist ungefähr so einleuchtend, wie wenn man sagen würde, es sei durch die Gewalt in den von Michael geschriebenen Computerspielen provoziert worden.«
    Franklin setzte zu einer Antwort an, aber er wurde von einem der Kriminaltechniker unterbrochen, der aus der Scheune rief: »Chef? Das müssen Sie sehen.«
    »Was ist denn?« Franklin warf ärgerlich seine Zigarette zur Seite und stapfte nach drinnen. Tony folgte ihm, da er fand, er müsse jede Gelegenheit nutzen, mehr Informationen zu sammeln.
    Der Techniker zeigte auf eine Stelle, wo die Dachstuhlbalken auf die Wand trafen. Daneben stand eine Trittleiter. »Es ist fast unmöglich, es zu sehen. Ich habe eine winzige Reflexion bemerkt, als ich die Treppe herunterkam. Bei normalem Licht würde man es nicht merken, es fiel jetzt nur auf, weil wir die Spezialscheinwerfer anhaben.«
    »Ich verstehe immer noch nicht, von was Sie reden«, sagte Franklin, verzog das Gesicht und spähte zwischen den Balken hinauf.
    »Ich bin raufgestiegen und hab’s mir angesehen. Es ist eine winzige Videokamera. Wir müssen noch eine vollständige Überprüfung auf elektronische Signale machen. Aber es sieht so aus, als hätte ihnen jemand nachspioniert.«
    Franklin warf Tony über die Schulter einen höhnischen Blick zu. »Das war’s wohl mit Ihrer Theorie. Vance war bis gestern Vormittag eingesperrt. Es ist unmöglich, dass er dahintersteckt.«
    »Glauben Sie nicht? Reden Sie doch mal mit Sergeant Ambrose in West Mercia über Vance’ Kontakte zur Außenwelt.«
    »Wenn es Sie glücklich macht, Doc, behalte ich das alles im Hinterkopf«, sagte Franklin herablassend. »Aber ich verwette nicht mein nächstes Monatsgehalt auf Jacko Vance.«
    »Wir werden ja sehen, wessen DNA sich im Sperma auf Lucys Rücken findet.« Tony reichte es jetzt; frustriert wandte er sich ab und begann, sich aus seinem Papieranzug zu schälen. Hier gab es nichts mehr für ihn zu tun. Franklin mochte so tun, als sei er unvoreingenommen, aber das war Augenwischerei. Er war überzeugt, dass die Antwort zu diesem Verbrechen in Lucy Bannermans Beruf lag, und das würde die Stoßrichtung seiner Ermittlungen sein, bis die Rechtsmediziner etwas Hieb- und Stichfestes fanden, um Tonys Überzeugung zu untermauern, die sich bis jetzt lediglich auf Erfahrung und Intuition stützte.
    Er hatte schon den halben Weg zur Straße hinter sich, als ihm klarwurde, dass Carol ihn hier hatte sitzenlassen.

34
    I n kaum mehr als vierundzwanzig Stunden war Micky Morgans ganzes Leben auf den Kopf gestellt worden. Die Nachricht von der Flucht ihres Ex-Manns war im Farmhaus in Gestalt eines halben Dutzends Polizisten angekommen, die aussahen, als seien sie aus einem Fernsehkrimi entsprungen. Schwarze Montur, Feldmützen, stichfeste Westen und Gesichter, undurchdringlich wie Granit. Micky war daran gewöhnt, bewundert zu werden, und es war verwirrend, dass Männerblicke an ihr vorbeiglitten und anscheinend mehr Interesse am Schnitt ihrer Küche und des Gartens bestand. Der Anführer stellte sich als Calman vor. Sie nahm an, das war sein Nachname, aber sie war zu durcheinander, um zu fragen.
    Obwohl die Küche groß genug war, dass ein Dutzend Stallburschen zum Frühstück um den Tisch herum sitzen konnte, schienen die Männer in Schwarz den ganzen Raum auszufüllen. »Ich begreife das nicht«, sagte Micky. »Wie ist er entkommen?«
    »Ich weiß nicht viele Einzelheiten«, sagte Calman. »Nur, dass er sich für einen anderen Gefangenen ausgegeben hat, der einen Tag draußen verbringen sollte.«
    »Und er war in Oakworth? Mein Gott, das ist ja gar nicht weit von hier!«
    »Etwa fünfundvierzig Meilen, und das ist einer der Gründe, weshalb wir so um Ihre Sicherheit besorgt sind.«
    Betsy war gerade noch rechtzeitig von draußen hereingekommen,

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