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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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seinen Rang als Inspector gekostet hatte, aber das lag schon Jahre zurück. Es schien, als ob man ihm niemals verzeihen würde. Wenn er das Sondereinsatzteam verließ, wäre das vielleicht endlich der Weg zurück zu einer Beförderung.
    Er hatte die Übernachtungsmöglichkeiten grob in drei Gruppen eingeteilt. Ganz oben standen die preiswerten Hotelketten, dort war die Kontrolle im Empfangsbereich oft fragwürdig. Man war dort daran gewöhnt, bei Studentengruppen und Fußballfans, die Geld zu sparen versuchten, indem sie acht Personen in ein Zimmer hineinquetschten, ein Auge zuzudrücken. Eine Gruppe von Stripteasetänzerinnen hätte vom Eingang bis zu den Aufzügen Cancan tanzen können, ohne dass jemand darauf geachtet hätte. Der Mörder hätte sich relativ einfach mit Suze Black anmelden können, ohne Aufmerksamkeit zu erregen; sie wieder hinauszubringen, wäre vielleicht eher ein Problem gewesen.
    Eine Möglichkeit gab es nur dann, wenn einer der Aufzüge direkt zu einer Tiefgarage im Untergeschoss führte. Aber Kevin hielt es für unwahrscheinlich, dass der Killer diesen Weg gewählt hätte, denn es gab zu viele unsichere Faktoren. Zur durchdachten Vorgehensweise dieses Täters wollte das einfach nicht passen. Aber Kevin behielt es im Hinterkopf, um später darauf zurückzukommen, sollte er sonst keine Fortschritte machen.
    Am anderen Ende der Skala gab es die etwas besseren Pensionen. Kevin machte sich nicht die Mühe, dort zu klingeln. Suze Black wäre nicht einmal lebend über die Schwelle gekommen, und tot schon gar nicht.
    Es blieb also eine Tranche in der Mitte: Etablissements in Privatbesitz. Meistens hielten sie sich in der Rezession nur mit Schwierigkeit über Wasser, größtenteils war man bereit, ein Auge zuzudrücken in Bezug auf das, was sich in den Zimmern tat. Aber trotzdem schätzte Kevin, dass man auch dort die Grenze ziehen würde, wenn ein Mann eine nasse Leiche durch die Empfangshalle zum Parkplatz hinausschleppte.
    Er war kurz davor aufzugeben, als er endlich auf Gold stieß. Das Sunset Strip war sehr weit gesunken; man konnte sich kaum vorstellen, dass es jemals ein Laden gewesen war, in dem jemand gern abgestiegen war. Es handelte sich um ein zweistöckiges langgezogenes Gebäude mit hellbraunem Putz, der schon abbröckelte, das ein unregelmäßiges Viereck um die Parkplätze herum bildete, die in abblätternder weißer Farbe aufgemalt waren. Die Einheiten waren wie einzelne Wohnungen. Im Erdgeschoss konnte man praktisch bis vor seine Eingangstür fahren. Perfekt, um eine tote Prostituierte im Kofferraum zu verstauen, ohne dass jemand bemerkte, was da vor sich ging.
    Kevin parkte beim Büro, das in der ersten Einheit im Erdgeschoss auf der linken Seite untergebracht war. Der dickliche Junge hinter dem Tresen sah kaum alt genug aus, um sich zu rasieren. Seine Haut war pickelig und blass, die Augenbrauen standen borstig ab. Das unscheinbare, hochgegelte braune Haar ließ ihn aussehen, als sei er einem Comedy-Sketch entsprungen. Er hob kaum den Blick von seinem Comicheft und brummte nur: »Ja?«
    Kevin klappte seinen Ausweis auf.
    Es dauerte dreißig Sekunden, bis dem Jungen klarwurde, dass es etwas gab, das er anschauen sollte. Er schob seinen Kaugummi von einer Backentasche in die andere und nahm einen Ausdruck lustloser Langeweile an. Er wiederholte sein »Ja?«.
    Dies war offenbar nicht der richtige Moment für Smalltalk. »Hatten Sie am dritten hier Dienst?«
    Wieder wurde der Kaugummi herumgeschoben, kurz ein bisschen gekaut. Eine Hand, die wie ein aufgeblasener Latexhandschuh aussah, riss eine Schublade auf und nahm ein Blatt Papier heraus, das in Kästchen eingeteilt war. Er zeigte mit dem Finger auf das dritte Kästchen oben. KH, BD, RT. »Das bin ich, Robbie Trehearne.«
    »Erinnern Sie sich an etwas Besonderes in der Nacht?«
    Trehearne schüttelte den Kopf. »Nee.«
    »Kann ich die Gästeliste sehen?«
    »Wie wär’s mit’m Durchsuchungsbeschluss? Brauchen Sie den nich?«
    Kevin vermutete, dass Robbie Trehearne genauso doof war, wie es den Anschein hatte. »Nicht, wenn Sie sie mir nur zeigen.«
    »Aha, okay.« Er legte das Comicheft hin und drehte den Bildschirm auf dem Schreibtisch so, dass Kevin ihn auch sehen konnte. Seine Finger flogen mit überraschendem Geschick über die Tasten, und eine Seite erschien, auf der oben das Datum stand. Nur die belegten Zimmer waren zu sehen. Es waren sechs Zimmer aufgelistet, inklusive Namen, Adressen, Nummernschilder der Autos und

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