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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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nahm einen Aktenkoffer mit. Dann stieg er in einen Bus zum Terminal, aber statt auf die Abflugschalter zuzugehen, steuerte er auf die Tische der Autovermietungen zu. Der Mercedes konnte gesehen oder mit einer Verkehrskamera erfasst worden sein, und er würde kein Risiko eingehen. Mit seinem Ausweis als Patrick Gordon mietete er eine unauffällige Ford Limousine mit Navi und ließ es über ein Konto abbuchen, das letztendlich wieder zu den Kaimaninseln zurückführte. Wie leicht sich diese Transaktion abwickeln ließ, war auch etwas, das sich verändert, in diesem Fall sogar verbessert hatte. Er flirtete etwas mit der Frau hinter dem Tresen, aber nicht so heftig, dass sie ihn in Erinnerung behalten würde.
    Innerhalb von zwanzig Minuten war er wieder unterwegs, nachdem er alles, was er für seinen Rachefeldzug brauchte, von dem einen Wagen in den anderen umgeladen hatte. Wenn alles nach Plan lief, würde er seine zweite Vergeltungstat innerhalb von Stunden ausgeführt haben. Vielleicht sogar seine dritte, wenn er Rückenwind hatte.
    Die einzige Frage, die er sich stellte, war, ob er sich später ein Zimmer in einem Motel nehmen oder gleich nach Vinton Woods zurückfahren sollte. Welcher Luxus, dachte er, zwischen solchen Dingen wählen zu müssen. Zu lange war er eingesperrt gewesen, hatte nur die elementarsten Entscheidungen treffen können und war eingeengt durch fremde Regeln. Dank Carol Jordan, Tony Hill und seinem Miststück von einer Ex-Frau musste er so viel verlorene Zeit aufholen. Aber sie würden alle zu lebenslangem Leiden verdammt werden. Leiden, dem sie nicht entkommen konnten.
    Vance lächelte bei dem Gedanken, als er an einer Tankstelle hielt. In dem, was er tat, lag echte Befriedigung. Wenn er sicher in seiner Villa in der Karibik oder seinem herrschaftlichen arabischen Wohnsitz etabliert war, würde er auf dies alles zurückblicken und sich für den Rest seines Lebens immer wieder daran erfreuen. Das Wissen, dass seine Opfer immer noch den Schmerz fühlten, würde nur das Sahnehäubchen sein.

33
    C arol zu folgen kam nicht in Frage. Hilflos stand Tony am oberen Ende der Treppe. Ihre Grausamkeit hatte ihn bis ins Mark getroffen. Er hatte das Gefühl, dass das Band zwischen ihnen unbarmherzig zerrissen worden war. Er war verloren, nicht zuletzt, weil Carol besser als irgendjemand sonst wusste, wie sie ihn am tiefsten verletzen konnte. Aber sie hatte ja recht. Sie hatte ihm vertraut, war enorme Risiken für ihn eingegangen, hatte ihr Leben für ihn eingesetzt. Und er hatte versagt.
    Er hätte den größeren Zusammenhang erkennen müssen. Aber er war so sicher gewesen, dass er sich hinsichtlich Vance an alles Wichtige erinnerte. Er hatte nicht mit der Gefängnispsychologin gesprochen, weil sie in seinen Augen nicht über die notwendige Professionalität verfügte, denn sie hatte sich schließlich von seinem Charme verführen lassen. Das hieß aber nicht, dass sie nichts Relevantes zu sagen gehabt hätte. Er hatte nicht mit dem Gefangenen gesprochen, dessen Platz Vance bei dem Freigang eingenommen hatte. Denn er war zu arrogant gewesen, um zu glauben, dass der Mann, den Vance übertölpelt hatte, irgendwelche nützlichen Informationen beitragen könnte. Die Befragungen, bei denen er zumindest hätte dabei sein sollen, hatte er Ambrose überlassen. Es war nicht überheblich zu glauben, dass er selbst mehr erfahren hätte, sondern einfach eine harte, kalte Tatsache. Und er hatte sich ablenken lassen von Paulas Wunsch, dass Carol eine glorreiche Abschlussvorstellung hinlegen sollte. Er teilte diesen Wunsch. Er hatte immer nur das Beste für Carol gewollt. Doch jetzt fürchtete er, dass er der Sache mehr geschadet als genutzt hatte.
    Er stand an der Treppe, starrte auf die makabre Szenerie und versuchte das, was er da sah, irgendwie zu begreifen. Es musste Vance sein. Seltsame Zufälle gab es immer wieder, das wollte Tony gar nicht leugnen. Aber manchmal wusste man einfach, dass es etwas anderes war. Denn dass diese Sache ein Zufall sein sollte, war einfach nicht vorstellbar.
    Es gab natürlich eine andere Möglichkeit. Wie meistens.
    »Dr. Hill?« Franklin rief seinen Namen und brachte ihn damit ins Hier und Jetzt zurück.
    Er wandte sich von der Szene ab und ging hinunter. »Hier ging es nicht um Sex«, sagte er zu Franklin, der misstrauisch wirkte.
    »Was meinen Sie damit, es ging nicht um Sex? Nach den vorläufigen Berichten hat er die beiden getötet, während sie Sex hatten; und nachdem er ihr die

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