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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Brennmaterial.
    Vance nahm einen Rundschneider und machte die Saugglocke an den kleinen Glasscheiben des Arbeitszimmerfensters fest. Dann schnitt er mit dem Glasschneider vorsichtig die Scheibe aus dem Rahmen, wobei er mit seiner Prothese den Rundschneider festhielt. Nachdem er die Glasscheibe gelockert und herausgenommen hatte, goss er zwei Behälter Benzin durch die Öffnung. Dieses Vorgehen wiederholte er am Wohnzimmerfenster und schüttete dann das restliche Benzin über das Rankgitter und die dicken Stämme der Klematis. Dann knüllte er ein paar Seiten Zeitungspapier zusammen und schob sie durchs Fenster, bevor er sie mit dem Feuerzeug in Brand setzte. Die Benzinschwaden am Fenster entzündeten sich zischend, und die Flammen verbreiteten sich fast sofort über den Teppich.
    Vance lächelte hocherfreut. Er stopfte zerknülltes Zeitungspapier zwischen die Rankgitter und die Stämme der Pflanzen, setzte sie in Brand und beobachtete sie so lange, bis er sicher sein konnte, dass das Feuer Fuß gefasst hatte. Schließlich setzte er das Arbeitszimmer in Brand und genoss es, wie die Flammen entlang der Benzinpfützen über den Boden leckten.
    Er wäre gern geblieben, aber es war zu gefährlich. Er würde ins Motel zurückkehren und dort über die Kameras zuschauen, wie das Feuer um sich griff. Diese Sache würde er nicht telefonisch melden. Er wollte nicht, dass die Feuerwehr zu früh kam, und irgendjemand würde es schließlich schon entdecken. Es würde eine Weile dauern, die Rückseite des Hauses konnte man nicht überblicken – und das war Vance gerade recht. Nur das völlige Ausbrennen würde ihm genügen.
    Rasch ging er zum Wagen zurück und fuhr gelassen aus Tony Hills Einfahrt hinaus.

    Nach ihrem zweiten Beinaheunfall innerhalb von einer halben Stunde gestand Carol sich recht spät ein, dass sie wahrscheinlich nicht am Steuer sitzen sollte. Aber sie hatte keine Wahl. Diese Nachricht musste sie persönlich überbringen. Sie konnte nicht zulassen, dass ihre Eltern es von einem Fremden erfuhren. Es war in jedem Sinne ihre Verantwortung, und sie musste sie auf sich nehmen.
    Bei der nächsten Raststätte fuhr sie von der Autobahn herunter, hielt an und bestellte sich eine heiße Schokolade und einen Heidelbeermuffin, um ihren Blutzuckerspiegel zu heben und den Schock zu bekämpfen, der sie immer noch im Griff hatte.
    Sie rührte zwanghaft in ihrem Getränk und konnte sich nicht erinnern, jemals so niedergeschlagen gewesen zu sein. Nach der Vergewaltigung, als sie überzeugt gewesen war, dass sie nicht mehr als Polizistin arbeiten konnte, hatte sie gedacht, dass sie in kein tieferes Loch fallen könnte. Aber dies hier war noch viel schlimmer. Damals war sie entschlossen gewesen, die Verletzung, die ihr zugefügt worden war, zu heilen. Aber diesmal konnte sie so entschlossen sein, wie sie wollte, es würde ihren Bruder oder ihre Freundin nicht wieder zurückholen.
    Carol hatte nie einen großen Freundeskreis gebraucht. Sie war zufrieden mit einer kleinen Gruppe von Vertrauten, einer Handvoll Menschen, auf die sie zählen konnte bei allem, das ihr wichtig war. Michael hatte immer dazugehört. Sie waren altersmäßig nur zwei Jahre auseinander und sich so nah gewesen, wie es nicht vielen Geschwistern vergönnt ist. Als er und Lucy ein Paar wurden, hatte Carol befürchtet, es könnte aus sein mit der unkomplizierten Offenheit, die sie einander immer entgegengebracht hatten. Zuerst war es schwierig gewesen. Es würde immer Meinungsverschiedenheiten geben zwischen einer erfahrenen Polizeibeamtin und einer Strafverteidigerin. Aber je besser Lucy und sie sich kennenlernten, desto klarer wurde es, dass sie Seelenverwandte waren. Im Berufsleben spielte für sie beide das Streben nach Gerechtigkeit eine wichtige Rolle, und im Lauf der Zeit verlor das, was sie trennte, immer mehr an Bedeutung. So gehörte Lucy schließlich zu diesem engen Kreis. Und jetzt hatte Carol zwei Menschen verloren, die sie liebte, und einen dritten in die Wüste geschickt.
    Sie klaubte lustlos Krumen aus ihrem Muffin und riss ihn mit fahrigen Bewegungen auseinander. Noch nie war sie so zornig auf Tony gewesen. Er hätte voraussehen müssen, dass Vance’ Rache eine genauso perverse Form annehmen würde wie seine früheren Verbrechen. Seine Psyche hatte sich immer so verwickelt und schwer verständlich mitgeteilt. Es gab keinen Grund zu denken, dass das Gefängnis daran etwas geändert haben könnte. Jetzt war ihr das klar, aber sie war ja keine

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