Vergessene Stimmen
rief unter der Nummer an, die sie ihm gab, und wurde zu Daniel Kotchof durchgestellt. Kotchof sagte, er könne nur ein paar Minuten mit ihm sprechen und legte Bosch ganze fünf davon auf die Warteschleife, während er im Hotel eine Stelle aufsuchte, an der er ungestört sprechen konnte. Als er schließlich ans Telefon zurückkam, nahm das Gespräch einen unergiebigen Verlauf. Wie Grace Tanaka sagte auch Kotchof der Name Roland Mackey nichts. Außerdem schien er den Anruf als störend oder aufdringlich zu empfinden. Er erklärte, verheiratet zu sein und drei Kinder zu haben und nur noch selten an Becky Lost zu denken. Er erinnerte Bosch daran, dass er mit seinen Eltern ein Jahr vor ihrem Tod nach Hawaii gezogen sei.
»Aber soviel ich mitbekommen habe, haben Sie nach dem Umzug nach Hawaii noch ziemlich oft miteinander telefoniert«, sagte Bosch.
»Ich weiß nicht, wer Ihnen das erzählt hat«, sagte Kotchof. »Klar haben wir noch telefoniert. Vor allem am Anfang. Es war immer ich, der sie anrufen musste, weil sie meinte, ihre Eltern fänden es zu teuer, mich anzurufen. Ich hielt das allerdings nur für einen Vorwand. In Wirklichkeit wollten sie mich nur abwimmeln. Deshalb musste immer ich anrufen, aber es war, na ja, ich meine, was hätte das Ganze auch noch groß bringen sollen? Ich war auf Hawaii, und sie war in L.A. Es war einfach vorbei, Mann. Und ziemlich bald fand ich dann auch hier eine Freundin – sie ist übrigens inzwischen meine Frau –, und ich hörte auf, Beck anzurufen. Das war’s dann, bis, Sie wissen schon, bis dann eben, als ich erfuhr, was passiert war, und als mich dieser Detective anrief.«
»Wussten Sie es schon, bevor der Detective Sie anrief?«
»Ja. Mrs. Lost hatte meinen Dad angerufen, und der brachte es mir dann bei. Außerdem riefen ein paar meiner alten Freunde an. Sie dachten sich, dass ich es gern wissen würde. Ganz schön verrückt, Mann, da wird dieses Mädchen, mit dem ich zusammen war, einfach umgebracht.«
»Ja.«
Bosch überlegte, was er sonst noch fragen könnte. Kotchofs Geschichte widersprach in ein paar Punkten Muriel Losts Darstellung. Er müsste die beiden Versionen irgendwann abgleichen. Auch Kotchofs Alibi bereitete ihm noch Kopfzerbrechen.
»Hören Sie, Detective, ich muss jetzt Schluss machen«, sagte Kotchof. »Ich bin in der Arbeit. Gibt es sonst noch was?«
»Nur noch ein paar Fragen. Wissen Sie noch, wie lange vor Rebeccas Tod Sie aufgehört haben, sie anzurufen?«
»Ähm, ich weiß nicht. Wahrscheinlich gegen Ende des ersten Sommers. Irgendwann um den Dreh. Dazwischen war einige Zeit vergangen, fast ein Jahr.«
Bosch beschloss, Kotchof etwas härter anzugehen und zu sehen, was dabei herauskam. Es war etwas, was er lieber persönlich versucht hätte, aber für einen Abstecher nach Hawaii fehlten sowohl die Zeit als auch die Mittel.
»Ihre Beziehung war also zum Zeitpunkt ihres Todes definitiv zu Ende?«
»Ja, definitiv.«
Bosch wusste, dass die Chancen, noch Telefonunterlagen aus dieser Zeit zu bekommen, sehr gering waren.
»Als Sie noch telefonischen Kontakt miteinander hatten, haben Sie da immer zu einer bestimmten Zeit angerufen?«
»Doch, schon. Ich war immer zwei Stunden hinterher, deshalb durfte ich nicht zu spät anrufen. Normalerweise rief ich gleich nach dem Abendessen an, und das war, bevor sie schlafen ging. Aber wie gesagt, besonders lang ging das nicht mehr so.«
»Gut. Jetzt muss ich Sie noch was ziemlich Persönliches fragen. Hatten Sie Sex mit Rebecca Lost?«
Darauf trat erst einmal Stille ein.
»Was soll das damit zu tun haben?«
»Das kann ich Ihnen nicht erklären, Dan. Aber es ist Teil der Ermittlungen und könnte Auswirkungen auf den Fall haben. Wären Sie deshalb so freundlich, die Frage zu beantworten?«
»Nein.«
Bosch wartete, aber Kotchof sagte nichts weiter.
»Ist das Ihre Antwort?«, fragte Bosch schließlich. »Sie beide hatten nie Sex miteinander?«
»Ja, wir haben nicht miteinander geschlafen. Sie sagte, sie wäre noch nicht so weit, und ich habe sie nicht gedrängt. Aber jetzt muss ich wirklich Schluss machen.«
»Nur noch ein paar Fragen, Dan. Sie wollen doch sicher auch, dass wir diesen Kerl fassen, oder nicht?«
»Ja, natürlich, es ist nur so, dass ich gerade in der Arbeit bin.«
»Ja, das haben Sie bereits gesagt. Dürfte ich Sie noch fragen, wann Sie Rebecca zum letzten Mal gesehen haben?«
»An das genaue Datum kann ich mich nicht mehr erinnern, aber es dürfte der Tag gewesen sein, an dem wir nach
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