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Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)

Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)

Titel: Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk M. Broder
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auf der palästinensischen Seite betrachtet, wird deutlich, dass die Situation dafür im Moment günstig ist.« Da aber Silberhorns Redezeit abgelaufen war, kam er nicht mehr dazu, die Details der Verhandlungslösung zu erklären, die seit Jahren, unbeweglich wie eine Katze aus Porzellan, auf dem Tisch liegt.
    Nach Silberhorn trat Rolf Mützenich für die SPD an das Rednerpult. Er sei »froh«, sagte Mützenich, dass »ein Konsens erreicht worden ist«, und er fand auch lobende Worte für die Anstrengungen des Kollegen Gehrcke, innerhalb der Linkspartei »für die Interessen Israels im Allgemeinen und auch für die Sicherheitsinteressen zu werben«: »Ich glaube, wir müssen Israel deutlich machen, dass durch die Abriegelung des Gaza-Streifens genau das Gegenteil von dem erreicht wird, was Israel eigentlich erreichen will … Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, dazu beizutragen – das können wir aufgrund unserer besonderen Beziehungen zu Israel –, dass dieses Problemfeld endlich von den politischen Akteuren in Israel erkannt wird. Ich würde mir wünschen, dass sowohl die Bundeskanzlerin als auch der Außenminister gegenüber der israelischen Regierung noch aktiver werden würden, als sie das bisher gewesen sind.«
    Ja, es muss erst der Deutsche Bundestag zusammentreten, damit den politischen Akteuren in Israel endlich klar wird, dass vor ihrer Tür ein »Problemfeld« liegt. Bis jetzt haben sie es entweder nicht bemerkt oder ignoriert und die Raketen, die gelegentlich von Gaza nach Sderot abgefeuert wurden, irrtümlich für Feuerwerkskörper gehalten.
    Nichts von dem, was Silberhorn und Mützenich sagten, war bösartig oder gemein, es war nur präpotent und von einer tiefen Ahnungslosigkeit geprägt. Sie redeten so, wie unverheiratete Priester über die Freuden der Ehe reden, Seifenkisten-Champions über die Formel 1 und Mitropa-Kellner über guten Service. Dabei freuten sie sich am meisten darüber, dass sie sich über die Parteigrenzen hinweg einig waren:
    »Der fraktionsübergreifende Antrag, den wir heute beraten, hat ja schon im Vorfeld durchaus Öffentlichkeitswirkung erreicht; darüber ist völlig zu Recht berichtet worden. Denn das, was wir hier erleben, ist tatsächlich eine neue Qualität gemeinsamer deutscher Außen- und Sicherheitspolitik«, stellte Rainer Stinner für die FDP fest. »Ich bin froh darüber, dass wir das geschafft haben. Damit ist ein Beginn gemacht; dies ist kein Ende. Wir stehen als Deutscher Bundestag, als FDP-Fraktion weiterhin dafür: Wir wollen europäische Initiativen und deutsche Initiativen in diesen wichtigen Friedensprozess einbringen. Wir stehen dafür, dass wir dabei sehr wohl die berechtigten Interessen der beteiligten Parteien berücksichtigen. Aber wir wollen Fortschritt, wir brauchen Fortschritt, und wir werden unseren Beitrag dazu leisten.«
    Als ich diese Debatte hörte, war ich ob der Mischung aus Größenwahn und Impotenz erst einmal sprachlos. Ich fragte mich: Wo nehmen die bloß ihr Selbstvertrauen her? Aus der deutschen Geschichte, auf die sie sich immer wieder beziehen (»Gerade wir als Deutsche …«), oder glauben sie, wenn ihre Väter und Großväter eine so schwere Aufgabe wie die Endlösung beinahe hinbekommen haben, dann werden sie den Nahen Osten im Vorbeigehen befrieden können? Vor allem die Israelis und die Palästinenser, also die »beteiligten Parteien«, dürfte es trösten, dass ihre »berechtigten Interessen« dabei »berücksichtigt« würden. Denn das übergeordnete und vorrangige Interesse bei der Lösung der Nahostfrage ist die Herstellung einer »gemeinsamen deutschen Außen- und Sicherheitspolitik«, also einer intakten Volksgemeinschaft gegenüber der Außenwelt. Sogar die Grünen waren von der Vorstellung einer nationalen Einheitsfront berauscht. Bei dieser Gelegenheit, meinte die Abgeordnete Kerstin Müller, »können alle mal über ihren Schatten springen, dann hat dies nämlich eine andere Bedeutung in Europa. Auch die Chance, in Europa gehört zu werden, wird größer, weil gerade die Deutschen mit ihrem besonderen Verhältnis zu Israel hier natürlich immer eine besondere Rolle spielen müssen. Diese Rolle nehmen wir wahr, indem wir diesen Antrag gemeinsam auf den Weg bringen. Dafür möchte ich mich bei allen bedanken.«
    Es war wirklich eine einmalige »Debatte«, die allerdings eher an Sitzungen der Volkskammer erinnerte, bei denen sich die Abgeordneten darüber einig waren, dass es vor allem auf die Einheit ankommt. So etwas

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