Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)
hatte es im Deutschen Bundestag bis dato nicht gegeben.
Als der Bundestag im April 2008 im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking über China und die Tibet-Frage debattierte, gingen die Meinungen weit auseinander. Die Vertreter der SPD redeten der Zurückhaltung das Wort, die der Union forderten die Regierung zu einer Stellungnahme zugunsten der Tibeter auf, die Parlamentarier der Linkspartei äußerten Verständnis für die Politik der chinesischen Führung und kritisierten das Verhalten der Tibeter. Aber kein Abgeordneter verstieg sich zu der Feststellung, man müsse dazu beitragen, dass »dieses Problemfeld« von den politischen Akteuren in China erkannt wird. Denn die Beziehungen zu China sind nicht annähernd so »besonders« wie die zu Israel.
Die Debatte war keine Sternstunde der parlamentarischen Demokratie, sie war ein Akt der nationalen Selbstfindung. Den Abgeordneten war es vermutlich nicht bewusst, dass sie – jeder für sich und alle zusammen – Wilhelm II. unter geänderten Vorzeichen spielten. War früher die sogenannte Judenfrage das überparteiliche Band, das die Deutschen zusammenhielt, so ist es heute die Palästina-Frage, die ein Gefühl der nationalen Einheit erzeugt. Ein Parlament und eine Regierung, die von einer hausgemachten Krise nach der anderen kalt erwischt werden, die sich nicht einmal auf den Mehrwertsteuersatz im Hotelgewerbe einigen können, wollen einen maßgeblichen Beitrag zur Befriedung des Nahen Ostens leisten. Wie Kinder, die beim Monopoly-Spiel Opel übernehmen und Karstadt vor dem Bankrott retten.
Ob der Bundestag eine fraktionsübergreifende Resolution zu Gaza abgibt oder erklärt, die Erde sei eine Scheibe, die auf dem Rücken der Fraktionsgeschäftsführer ruht, ist für den Verlauf des Weltgeschehens freilich vollkommen irrelevant. Das ist einerseits erfreulich und andererseits erschreckend. Die Abgeordneten wollen nur spielen. Gestern war es die Reise nach Jerusalem, morgen wird es wieder Räuber und Gendarm sein.
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Fette Judenfotze oder: Wenn in Brandenburg ein Kanalrohr platzt
Ich sagte es schon: Der Antisemit ist arm dran. Er ist nicht Herr seiner Sinne, es denkt in ihm. Er hat das Gefühl, die Juden manipulieren ihn, üben eine geheimnisvolle Macht über ihn aus. Und da hat er Recht, auch wenn es sich nicht um eine Intervention von außen, sondern um eine Form von autogenem Training handelt. Denn der Antisemit muss dauernd, immerzu, ständig an Juden denken wie ein Bulimiker ans Essen und er muss das, was er gerade über Juden aufgenommen hat, sofort von sich geben: dass sie hinter den Anschlägen von 9/11, hinter der Eurokrise und hinter der Klimakatastrophe stecken. Dass sie mit den Nazis bei der Endlösung zusammengearbeitet haben, um hinterher »Wiedergutmachung« verlangen und den Staat Israel gründen zu können. Keine Annahme ist zu absurd, als dass sie nicht auf das Konto der Juden gebucht werden könnte. Denn der Antisemit ist von der Allmacht der Juden ebenso überzeugt wie von seiner eigenen Ohnmacht.
Den Juden dagegen sind solche »Komplimente« peinlich. Deswegen versuchen sie, die Antisemiten davon zu überzeugen, dass sie bei Weitem nicht so machtvoll sind, wie es die Antisemiten glauben. »Wir sind doch nur 12 bis 14 Millionen«, sagen sie, »nicht einmal zwei Promille der Weltbevölkerung.« – »Genau das ist euer Trick«, ruft der Antisemit zurück. Die Beweise stehen in seinem Buchregal: Luthers »Von den Juden und ihren Lügen«, »Die Protokolle der Weisen von Zion«, verfasst von einem anonymen Autorenkollektiv und »Die Israel-Lobby« von Mearsheimer und Walt. Und wenn Juden unter Nobelpreisträgern überproportional vertreten sind, dann ist das nur ein weiterer Beleg dafür, wie gut sie untereinander vernetzt sind und sich gegenseitig protegieren.
Der Gegenpart des Antisemiten ist freilich nicht der Jude, sondern der »Antisemitismusforscher«. Er versucht, dem Antisemiten auf die Schliche zu kommen: Warum kann dieser die Juden nicht ausstehen? Warum ist er resistent gegen alle Argumente? Was hat ihn zu einem Antisemiten gemacht? Eine schwere Kindheit? Wurde er mit Hühnersuppe und Matzenbrei zwangsernährt? War es der jüdische Hausbesitzer, unter dem seine Eltern leiden mussten? Die ZDF-Dokumentationen von Guido Knopp? Die israelische Politik?
Auch der Antisemitismusforscher ist arm dran. Er versucht, für eine irrationale Leidenschaft eine rationale Erklärung zu finden. Ebenso gut könnte er Menschen, die gerne
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