Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)

Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)

Titel: Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk M. Broder
Vom Netzwerk:
wenn ich es sehe, und dieser Film gehört nicht dazu.)
    »I know it when I see it« wurde in den USA schließlich zu einem geflügelten Wort. Es beschreibt die Unmöglichkeit, ein Phänomen verbindlich zu definieren, das sich freilich dem gesunden Menschenverstand, in den USA »common sense« genannt, sofort erschließt. Kein Mensch würde einen Hamburger für ein Ufo halten, obwohl beide rund sind, und niemand eine Seifenkiste für ein Auto, obwohl beide vier Räder haben. Jenseits physikalischer Einheiten wie Volt, Watt, Ampere und PS gibt es keine Definition von ewiger Gültigkeit. Und abgesehen von Mord und Totschlag auch kaum eine Straftat, die im Laufe der Zeit nicht dem Zeitgeist zum Opfer fallen würde. Bis Ende der sechziger Jahre machten sich Eltern der Kuppelei strafbar, wenn sie ihre Tochter oder ihren Sohn in der elterlichen Wohnung zusammen mit dem Freund bzw. der Freundin übernachten ließen. Umstritten war nur, ob Kuppelei vorlag, wenn es sich um volljährige Verlobte handelte. Und natürlich hatte die Gesellschaft zur Zeit von Josefine Mutzenbacher einen anderen Begriff von Pornographie als zur Zeit von Charlotte Roche.
    Das Gleiche gilt auch für den Antisemitismus. I know it when I see it. Der Antisemitismus im Kaiserreich artikulierte sich anders als der in der Weimarer Republik. Nach 1945 kam es zu einem Paradox: Es gab immer noch Antisemitismus, aber keine Antisemiten mehr, denn die waren im Zuge der Entnazifizierung verschwunden. Für den Antizionismus war die Zeit noch nicht reif. Und um »Israelkritik« zu üben, war es erstens zu früh und zweitens waren die Deutschen viel zu sehr mit sich selber beschäftigt, um darüber nachzudenken, ob der Boden der deutschen Geschichte bis nach Palästina reicht. Alles zusammen führte zu der irrtümlichen Annahme, der Antisemitismus sei tot und durch die Nazis so diskreditiert, dass er nie wieder zu neuem Leben erwachen würde. Die Möglichkeit, es könnte irgendwann einen Antisemitismus nicht trotz, sondern wegen Auschwitz geben, lag außerhalb des Vorstellbaren, wie eine Landung auf dem Mond.
    Erst 1982 wurde an der Technischen Universität Berlin das »Zentrum für Antisemitismusforschung« (ZfA) gegründet. Es sollte »als einziges Institut seiner Art interdisziplinär in Forschung und Lehre über Vorurteile und ihre Folgen wie Antisemitismus, Antiziganismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus« arbeiten und »Dienstleistungen und Aufklärungsarbeit für die Öffentlichkeit« erbringen. 26 Jahre später kam ein neues Aufgabengebiet dazu: Am 8. Dezember 2008 veranstaltete das »Zentrum für Antisemitismusforschung« eine »wissenschaftliche Konferenz über das Verhältnis von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit« unter dem Titel »Feindbild Muslim – Feindbild Jude«.
    Damit war eigentlich alles gesagt. Ein Feindbild hatte das andere abgelöst.
    Auch in der Ankündigung des Programms wurde das Ergebnis der Konferenz bereits vorweggenommen: »In den vergangenen Jahren konzentrierten sich Debatten über Antisemitismus oft auf Judenfeindschaft unter Muslimen. Anlässe waren antijüdische Propaganda in arabischen Massenmedien oder in Predigten sowie Feindbilder als Teil individueller Einstellungen unter Migranten. Gleichzeitig wurden Muslime selbst in Debatten um Moscheebauten, Zwangsehen oder das Kopftuch Ziel pauschaler Anfeindungen. Verschwörungsphantasien über eine ›Islamisierung Europas‹ wurden dabei ebenso laut wie der Vorwurf, der Islam gebiete seinen Anhängern die Täuschung der Nichtmuslime. Die Denkmuster sind aus der Geschichte des Antisemitismus bekannt und werfen die Frage auf, welche Gemeinsamkeiten Judenfeinde und Islamfeinde teilen.«
    Nun kann man im Prinzip alles mit allem vergleichen: den Ersten Weltkrieg mit einer Naturkatastrophe, Adolf Hitler mit Dschingis Khan, den Untergang der »Titanic« mit dem Absturz der »Hindenburg« und Auschwitz mit einem holländischen Hühner-KZ. Vergleichen, heißt es immer, bedeute nicht gleichsetzen.
    Allerdings schweben auch unschuldige Vergleiche nicht im luftleeren Raum. Wer zum Beispiel das Verhalten der Amerikaner gegenüber den Indianern mit dem Verhalten der Deutschen im besetzten Polen vergleicht, will damit etwas sagen. Und wer das Leben der Palästinenser in Gaza mit dem der Juden im Warschauer Ghetto vergleicht – ein in den letzten Jahren sehr beliebt gewordener Topos der »Israelkritik« – will sicher nicht auf die schlechten Lebensbedingungen im Warschauer Ghetto hinaus. Die

Weitere Kostenlose Bücher