Vergib uns unsere Sünden - Thriller
sich überfordert fühlten. Professor Robey verlangt zehntausend Wörter
monatlich von ihnen. Ein professioneller Autor schafft eine solche Zahl in zwei, drei Tagen, aber unsere Studenten sind keine professionellen Autoren. Was sie sind und was sie sein wollen, das sind zwei verschiedene Dinge. Robey treibt sie zum Galopp, bevor sie laufen gelernt haben, und auch wenn das seine Methode ist und auch wenn er konstant bessere Ergebnisse erzielt hat als jeder andere Lehrer hier, hat das Ausmaß seiner Antreiberei hin und wieder unsere Aufsichtsgremien und Elternbeiräte auf die Barrikaden gerufen.«
»Und es gab Kritik an seinen Methoden?«
»Kritik? Kritik gibt es immer, Detective, aber was auch immer jemand einzuwenden hat, mit Resultaten und Leistungsstatistiken kann er nicht argumentieren. Und wenn sich die Eltern noch so sehr darüber aufregen, wie verstört ihr Sohn oder ihre Tochter war, erkennt man in ihren Blicken auch Dankbarkeit über einen Lehrer wie Robey. Wir sind kein teures College, Detective, und die Eltern können sicher sein, dass ihre Söhne und Töchter bei uns bis an ihre Grenzen getrieben werden.«
»Sie halten sehr viel von ihm«, sagte Littman.
»Ich halte sehr viel von ihm, und ich beneide den Mann, aber manchmal bin ich heilfroh, dass ich ganz anders bin als er.«
»Weshalb?«
»Weil er kein Leben hat«, antwortete Edgewood. »Er hat keine Frau, keine Kinder, keine Steckenpferde, denen er nachgeht. Zu Elternabenden erscheint er nur, weil sein Vertrag ihn dazu verpflichtet. Er ist den Leuten gegenüber rüde, er ist ein Einzelgänger, sein Humor ist trockener als die Prärie Arizonas. Sein Blick kann einen völlig kaltlassen, und dann sagt er plötzlich etwas, und man hat das Gefühl, er hat einen besser verstanden, als man …«
Edgewood brach im Satz ab. Für einen Augenblick wirkte er verlegen. Er zog die Stirn in Falten, schüttelte kaum wahrnehmbar
den Kopf, dann lächelte er. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich rede zu viel. Verstehen Sie, was ich hier sage, ist meine sehr persönliche Meinung über Professor Robey …« Sein Lachen hatte einen nervösen Unterton. »Er darf auf keinen Fall denken, ich hätte hier aus der Schule über ihn geplaudert - wenn Sie mir das Wortspiel verzeihen.«
Littman lächelte beruhigend. »Wird er nicht, Doktor Edgewood, ganz bestimmt nicht. Das ist nichts weiter als eine Befragung zur Person Professor Robeys, damit wir wissen, mit welchen Augen man ihn am College sieht, was seine Zeitgenossen und Kollegen über ihn denken. Und Sie als Dekan sind natürlich besser geeignet als jeder andere, ihn zu …«
Edgewood fiel ihm ins Wort. »Da muss ich Ihnen widersprechen, Detective. Ich habe Professor Robey wohl eingestellt, aber ich habe nicht Tag für Tag mit ihm zu tun. Die Dozenten in seinem Fachbereich und seine Studenten wären weitaus geeigneter, dezidierte Aussagen über sein Verhalten und seine Einstellung im Alltag zu machen. Wir begegnen uns auf dem Korridor. Wir nicken uns respektvoll zu, aber wir reden selten miteinander. Einmal im Monat treffe ich ihn bei der Fachbereichsbesprechung, und das sind in der Regel kurze und sehr einseitige Zusammenkünfte. Ich nenne ihm die Bereiche, in denen es Fragen, manchmal auch Klagen gegeben hat. Er macht sich Notizen, grummelt ein halbes Dutzend einsichtige Bemerkungen in den Bart, und am Ende …« Edgewood lächelte, sprach nicht weiter.
»Ja?«, fragte Riehl.
»Am Ende reden wir wieder über das Buch, das zu schreiben ich seit langem drohe.«
»Sie schreiben ein Buch?«
»Ich drohe damit, ein Buch zu schreiben, Detective. Professor Robey ist mein literarisches Gewissen, mein Lehrmeister. Er spornt mich an zum Schreiben, aber ich raffe mich nicht auf. Ich rationalisiere und rechtfertige mich, und er hält
mir vor, meine Ausreden seien fadenscheiniger als alles, was seine Schüler so im Angebot haben. Wir lachen darüber, aber ich weiß, wie ernst er es meint.«
Für mehrere Sekunden herrschte Schweigen im Raum.
»Also, meine Herren, gibt es sonst noch etwas?«, fragte Edgewood.
»Ist das College samstags geöffnet?«, wollte Littman wissen.
»Geöffnet, ja, für extra-curriculare Studien. Die Bibliothek wird natürlich benutzt, und ein paar Tutoren bessern ihr Gehalt mit zusätzlichen Kolloquien auf. Warum fragen Sie?«
»Haben Sie Unterlagen darüber, wer an solchen Veranstaltungen teilnimmt?«
»Ja, die haben wir.«
»Und Professor Robey … Können Sie uns sagen, ob er am Samstag, den elften
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