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Vergib uns unsere Sünden - Thriller

Titel: Vergib uns unsere Sünden - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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und MP3-Player bei sich hatten, und ihre Jugend und Kraft und die selbstbewusste Überzeugung, etwas aus sich zu machen; ich lief die ganze Florida Avenue hinauf bis zur Seventh Street, vorbei an der Reihe Taxis Ecke Fourth Street, und sah Trupps von Taxifahrern an ihren Kühlern und Kotflügeln lehnen, rauchen, Dr Pepper trinken, über eine witzige Bemerkung lachen, einer nach dem anderen verstummend, den Kopf ohne Scham und Anstand nach einem vorübergehenden Mädchen drehend, eine Handvoll Männer und ein Gedanke: »Die nehmen? Mann, und ob ich die nehmen würde … Zehn Minuten allein mit der auf dem Rücksitz meines Taxis und die will nur noch heim zu Mami«, und dabei wusste jeder von ihnen, wie befangen, gehemmt, lächerlich, sogar naiv und verlegen und zaghaft er sich fühlen würde, wenn das schlechte Gewissen ihm nicht schon von vornherein
allen Mut genommen hätte; ich lief zu den Constitution Gardens, von einem Ende zum anderen, vorbei am Gebäude der Notenbank, am Veterans Memorial, auf dem Ohio Drive am West Potomac Park entlang, herum um das Flutbecken und längs der Fourteenth Street Bridge - mitten durch einen Song von Simon & Garfunkel, wäre es New York und nicht Washington gewesen; ich lief zu Musik, kaufte mir einen Walkman und hörte Sinatra und Schostakowitsch, Kelly Joe Phelps und Nina Simone, Gershwin, Bernstein und Billie Holliday. Als ich einmal eine CD hörte, die als Gratisbeilage in einem Magazin gelegen hatte - Klänge des Amazonas - , schleuderte ich sie vom Clara Barton Parkway in den Potomac, weil sie mich an ein anderes Leben, an einen anderen Ort erinnerte, weil sie mir die Tränen in die Augen trieb und mir Angst machte; ich lief vorbei an schwangeren Frauen und Staatsbeamten in eleganten Anzügen, an Ladenfronten und Massagesalons, an Mietshäusern, um die herum die Atmosphäre von Einsamkeit und Verzweiflung wie ein billiges Parfüm hing, vorbei an Fabrikgebäuden und rostigen Blechgaragen, aus deren Halbdunkel nach Diesel und Lack und Öl und Schweiß riechende Männer mit schwarzen Gesichtern spähten, vorbei an Kühlhäusern, in die tonnenweise gefrorener Fisch verladen wurde, der sich wie ein glitschiger Schwall von den Ladeflächen der Lastwagen auf die Straßen und in die Rinnsteine ergoss, aus denen er von Männern, die ihn nicht essen mussten, wieder herausgeschaufelt wurde.
    Und ich dachte: In deinen Tagträumen, deinen Momenten abwesender Gedanken, gibt es immer einen Ort, an den du zurückkehren kannst. An solche Dinge dachte ich, erinnerte mich an die Orte, an denen ich gewesen bin, und sie war immer dabei - mit ihrem Lächeln, ihrer Wärme, ihrer Menschlichkeit und ihrer Vorliebe für Baskenmützen in den seltsamsten Farben.

    Was hat Kafka gesagt? Ein Käfig ging einen Vogel suchen.
    Der Käfig hat mich gefunden, und es war angenehm und verführerisch, aber alle Verheißungen erwiesen sich als Lüge.
    Ich lief vorbei an Erinnerungen und Gefühlen: Angst vor Scheitern und Enttäuschung, den zögerlichen Zweifeln an meinem Tun, die zu Zweifeln an meiner eigenen Person wurden.
    Ich lief daran vorbei, ließ sie zurück, und ich dachte: Der Sieg hat hundert Väter, die Niederlage ist ein Waisenkind, aber wer das gesagt hatte, wollte mir nicht einfallen.
    Angesichts solcher Gedanken wird alles andere im Leben zur vollkommenen Nebensache.
    Ich lief an Gesichtern vorbei - den Gesichtern der Menschen, die ich erschossen, erwürgt, mit selbstgebastelten Apparaten, mit Granaten und Briefbomben und Gas ins Nirwana gesprengt habe; vorbei an jenen, die mir in die Augen geschaut haben, als ich die Waffe hob und abdrückte, oder die nicht darauf vorbereitet waren und erst registrierten, dass es so weit war, als die Kugel ihnen die Brust zerriss, oder die keine Reaktion zeigten, weil die Kugel sie klatsch-peng in die Stirn traf und wie einen Mehlsack auf den gleichgültigen Boden warf.
    Durch späte Nächte laufen, die fremden Stunden vor Sonnenaufgang - immer dunkel, immer kalt -, Schritte von irgendwoher hören, ohne zu wissen, ob sie real oder nur ein Traum waren, und der zweite Gedanke lässt das Herz stillstehen, denn vielleicht, ganz vielleicht, war doch einer von ihnen unterwegs, um dich zu holen.
    An ihnen allen lief ich vorbei und zur anderen Seite hinaus und weiter, immer weiter … Und ich war nicht so einfältig zu glauben, dass ich vor etwas davonlief, oder anzunehmen, dass ich gar vor mir selbst davonlief. So ein Unsinn! Das wäre scheinheiliger, egozentrischer,

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