Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
meines Gehirns in eine Form bringen wollte, die ihm besser gefiel.
»Sicher, es ist schwierig. Das verstehe ich. Aber du musst über dein Leben nachdenken. Du bist dreißig …«
» Fast dreißig«, verbesserte ich ihn. Hatte er meinen Geburtstag im September vergessen?
»Also gut, fastdreißig. Denk an deine Zukunft, Rory. Unsere Zukunft. In der Welt da draußen kann es sehr einsam und problematisch sein. Erinnere dich an deine Tante, die ganz allein ins Krankenhaus gebracht wurde. Eine alleinstehende Frau. Willst du das werden?«
Erbost stieß ich seine Hand weg. »Tante Lyd ist eine wundervolle Frau, und du musst sie nicht bemitleiden.« Aber hatte ich sie etwa nicht bemitleidet, als ich mir eingebildet hatte, dass Jim sie hinterging und sie es nicht merken würde?
»Kein Mitleid.« Je heftiger ich mich aufregte, desto ruhiger klang Martins Stimme. »Deine Tante Lyd hat entschieden, so zu leben. Damit muss sie nun zurechtkommen. Auch du solltest überlegen, welches Leben du führen willst – das ist alles, worum ich dich bitte.«
»Wenn ich um die sechzig so bin wie meine Tante, wäre ich glücklich. Hast du das Blumenmeer rings um ihr Krankenbett gesehen? So viele Leute wünschen ihr das Allerbeste. Sie hatte ein tolles Leben. Es ist mir egal, was du sagst.«
»Rory …« Er sah mich eindringlich an. »Willst du wirklich mit Fremden zusammenleben? Ohne eine eigene Familie? Du bist nicht so wie deine Tante.«
»Ich – ich …« Plötzlich erkannte ich die beklemmende Wahrheit. Obwohl ich Tante Lyd liebte – so wie sie wollte ich nicht werden. Ich wünschte mir eine eigene Familie.
»Und wenn es ihr nicht besser ginge, wärst du jetzt allein.«
Unfähig zu sprechen, hielt ich den Atem an. Ein Leben ohne Tante Lyd wollte ich mir nicht vorstellen.
Martin beugte sich vor. »Es ist dein gutes Recht, mich zu hassen. Ich verstehe deinen Zorn. Aber ich bitte dich – wirf nicht gedankenlos alles weg, was wir hatten, nur weil dein verletzter Stolz es verlangt.«
Bedrückt wich ich seinem Blick aus und starrte mein winziges verzerrtes Spiegelbild in der trüben Klinge meines Messers an. Wenn ich jetzt Nein sagte? Würde ich jemals einem Mann begegnen, der wirklich zu mir passte? Seit der Trennung von Martin hatte ich keinen Besseren getroffen. Weder Malky noch Teddy oder Luke oder Sebastian konnten ihm das Wasser reichen. Würde ich mich für den Rest meines Tante-Lyd-Lebens quälen, weil ich ihm an diesem Vormittag gegenübergesessen und Stabilität und Sicherheit abgelehnt hatte? Und die Familie, nach der ich mich sehnte? Wenn ich mich später notgedrungen für einen der grässlichen Männer aus dem Internet entscheiden müsste – würde ich dann an diesen Moment denken?
»Ich – ich brauche mehr Zeit.« Zweifellos hatte er recht, ich musste wenigstens darüber nachdenken.
»Wie viel Zeit?« Kaum merklich schwang Ungeduld in Martins Stimme mit. Ich hatte elf Jahre mit ihm zusammengelebt und hörte das leise Knacken, bevor sich das Eis bildete.
In meinen Augen brannten Tränen. Er hatte mich gezwungen, an seiner Seite meiner Tante gegenüberzutreten, in geschlossener Front, bevor ich dazu bereit gewesen war. Und jetzt beschuldigte er mich, ihn hinzuhalten. Hinter der Theke schaute die Kellnerin mitfühlend zu uns herüber. Vermutlich war sie an emotional überforderte Gäste gewöhnt, die aus der Klinik kamen.
»Es ist noch keine vierundzwanzig Stunden her«, flüsterte ich dem Tisch zu, der vor einem Tränenschleier verschwamm.
»Ich musste gerade zum zweiten Mal eine Parkgebühr für vierundzwanzig Stunden zahlen«, entgegnete er.
Ich gab ihm keine Antwort. Wie immer hatte er recht. Behutsam wischte er mit dem Daumen eine Träne von meiner Wange. »Ich wollte dich nicht aufregen, Rory. Aber weil ich dich liebe, möchte ich wieder mit dir zusammen sein. Erinnerst du dich, wie glücklich wir waren?«
O ja, er hatte für mich gesorgt, und das Leben war viel einfacher gewesen. Er hatte alle Entscheidungen für mich getroffen und mir stets ein Gefühl der Sicherheit gegeben. Es wäre so einfach, wieder bei ihm zu wohnen, statt mit einem anderen Mann von vorn anzufangen, mich an seine Launen zu gewöhnen und ihn an meine. Martin kannte und tolerierte meine Schwächen. Würde jemand anderer auch so verständnisvoll sein? Es würde mir schwerfallen, Martin wieder zu vertrauen – aber jetzt bemühte er sich wirklich um mich. Und er war geduldiger, als ich erwartet hätte. Allzu lange durfte ich ihn nicht
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